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Volltext: Musikalische Instrumente (Gruppe XV), officieller Ausstellungs-Bericht

Mufikalifche Inftrumente. 
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ihm jedoch handelt es fich nur, die richtigen Theile der Saite zu erfaßen, und 
jedenfalls ifl da die Procedur ficherer, als bei einer Flöte, Clarinette oder Oboe, 
wo der Künftler in Betreff der Qualität und der Reinheit des Tones im Grunde nur 
auf fein Gehör, nicht zu fagen auf feinen Inftindl angewiefen ift. Einen Beweis 
dafür liefert, dafs durchfchnittlich in den Orcheflern gute Bläfer weit feltener find, 
als gute Geiger. So hat es beifpielsweife auf der Flöte feine Schwierigkeit, eine 
durchgängige Reinheit und Gleichheit des Tones zu erzielen. Das Inftrument hat 
nämlich nur heben offene Tonlöcher und durch diefe foll eine Scala von zwölf 
Tönen hervorgebracht werden. Um die fehlenden Töne zu erzeugen, mufs man 
fich aufserordentlicher Hilfsmittel, nämlich der Klappen bedienen. Die alte .Z^-Flöte 
hatte nur eine Klappe für Dis, heutzutage ifl die Anzahl diefer Klappen bis auf 
fünfzehn geftiegen. 
Den felbfl bei allen Verbefferungen ftets vielen Unvollkommenheiten, an 
welchen das Inftrument bisher gelitten, ift nun durch den hnnreichen Mechanismus 
eines eigenthümlichen Klappenfyftemes abgeholfen, welches der Hofmuficus Böhm 
in München erfunden hat. Zunächft erhielt jeder Ton der Scala fein eigenes Ton 
loch, und zwar an der Stelle, die ihm nach den akuftifchen Principien zukommt. 
Die Ton- oder Grifflöcher felbft find fo grofs wie möglich gebohrt und werden 
durch Klappen gefchloffen, welche rechtwinkelig an langen, parallel mit der Achfe 
der Flöte laufenden, metallenen Stielen befeftigt find. In Folge diefer Einrichtung 
wurde alfo zunächft die Trennung der Klappen von den fie in Bewegung fetzenden 
Hebeln bewirkt. Diefe Klappen beftehen zum Theil aus offenen Ringklappen, die 
durch den Finger gefchloffen werden, zum Theil aus gedeckten Klappen. Der 
Vortheil diefer Einrichtung befteht darin, dafs, wenn durch den Fingerdruck die 
Ringklappen gefchloffen werden, auch die dem Tone entfprechenden Tonlöcher 
durch die gedeckten Klappen fich fchliefsen und mithin ein Finger die Arbeit von 
zwei oder drei Fingern verrichtet. Das Rohr hat die cylindrifche, der Kopf die 
nöthige conifche Form. * Das Syftem Böhm ift übrigens auch bei Clarinetten mit 
gutem Erfolge in Anwendung gebracht worden. Die Clarinette hatte anfangs nur 
7 Tonlöcher und i A- und i Z?-Klappe, gegenwärtig befitzt das Inftrument 8 Ton 
löcher und 14 Klappen, welche in neuefter Zeit bis auf 17 vermehrt find, fo dafs 
gegenwärtig die Clarinette 19 Klappen befitzt. Der eigentliche Begründer der 
modernen Clarinette wäre demnach Ivan Müller, der zuerft 13 Klappen herftellte. 
Die Hauptfchwierigkeit bei diefem Inftrumente befteht in der Bildung der Töne, 
weil der Spieler genöthigt ift, die Finger von einer Klappe zur anderen hinüber 
gleiten zu lallen. Diefem Mangel hat erft die Mechanik Böhm’s abgeholfen. In 
Frankreich hat das Syftem Böhm längft Eingang gefunden und es wäre zu wünfchen, 
dafs die nach diefem Syftem conftruirtCn Flöten und Clarinetten bei unferen 
Ocheftern in Gebrauch kämen, namentlich hätten unfere Confervatorien die 
Pflicht, zu forgen, dafs folche Inftrumente endlich einmal in Praxis gebracht wür 
den; mag auch der Toncharakter, namentlich bei der Flöte, an Weichheit etwas 
verlieren, fo kann diefer geringe Nachtheil gegenüber dem grofsen Vortheil nicht 
in Betracht kommen, welchen diefes Syftem fowohl in Betreff der Anfprache und 
Reinheit des Tones, fowie in Betreff der gröfseren Wirkungsfähigkeit des Inftru- 
mentes bietet. Es liegt nun einmal in der Natur der Dinge, dafs ein jeder Fort- 
fchritt mit gewiffen Opfern erkauft wird. Machen wir doch diefelbe Erfahrung auf 
dem Gebiete des Pianos mit der Wiener und der englifchen Mechanik und auf 
dem Terrain der Blech-Blasinftrumente mit dem alten Natur- und dem modernen 
Ventilhorn. 
Die Ausftellunghat uns indefs, und zwar insbefondere in der öfterreichifchen 
Abtheilung, einenBeweis gegeben, dafs die Flöte auf dem Wege des alten Syftems 
manche Vervollkommnung erfahren hat. In diefer Richtung haben fich namentlich 
* Ausführlich und fachgemäfs ift das Böhm’fche Syftem behandelt von Dr. K. Schaf- 
häutel, in dem Berichte über die deutfche Induftrie-Ausftellung in München 1854. 
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