daran geknüpften Untersuchungen auszeichnete, hätte es dem Zuhörer nicht entgehen
können, dass ein tiefes Interesse an dem Gegenstände den Vortrag bei diesem Ab
schnitte besonders belebte und erwärmte.
Die Kunst der Renaissance, welche den letzten Theil seiner Vorlesungen
bildete, gab ihm Gelegenheit, die Aufgaben der modernen Baukunst in den Kreis
seiner Betrachtungen zu ziehen. Besonders eingehende Behandlung fand dabei der
Bau des bürgerlichen Wohnhauses, den auf eine rationelle Grundlage zurückzuführen
Ferstel, in Uebereinstimmung mit seinen Reformbestrebungen auf diesem Gebiete,
als eine der wichtigsten Aufgaben des modernen Architekten hinstellte.
Ferstel liebte es, seinen Vorträgen den Reiz der Actualität zu verleihen.
Bei Cornelius’ Tode widmete er dem dahingeschiedenen Meister einen begeisterten
Nachruf, der die ganze Stunde ausfüllte. Ebenso beim Tode Viollet-le-Ducs und
Sempers. Wenn er von grösseren Studienreisen zurückkehrte, bildeten seine Reise
eindrücke nicht selten den Stoff für mehrere Vorlesungen; die Wiener Weltausstellung,
die Vollendung des Kölner Doms u. a. m. fanden in seinen Vorträgen volle Würdigung.
Mit diesen Unterbrechungen seiner eigentlichen Lehrvorträge verband Ferstel die
Absicht, das Interesse seiner Schüler auf wichtige Vorkommnisse der Gegenwart hin
zulenken und ihren Gesichtskreis über die Mauern des Lehrsaales hinaus zu erweitern.
Den zweiten und wichtigeren Theil seiner Lehrthätigkeit bildeten die von
Ferstel geleiteten Uebungen im Entwerfen. Auch hier war es sein oberster Grund
satz, nicht vorschnell abzuurtheilen und einer selbständigen Auffassung schonungsvoll
zu begegnen. Wie mangelhaft auch die ersten Versuche eines Schülers ausfallen
mochten, so ging doch das Bemühen Ferstels stets dahin, so viel als möglich von
dem beizubehalten, was der Schüler mit Recht als sein geistiges Eigenthum betrachten
konnte. Man muss es beobachtet haben, mit welchem Ernste Ferstel, der ruhm
gekrönte Architekt, dem Ideengange des Anfängers folgte und diesen allmählich auf
den richtigen Weg zu bringen suchte, um ihn als Lehrer nach seinem vollen Werthe
schätzen zu können. Er hatte nichts von zunftmässigem Pädagogenthum, aber nichts
destoweniger lag in seinem Vorgehen eine ausgezeichnete Methode. Denn indem er
den Schüler ermuthigte, seinen Ideen Ausdruck zu geben, lehrte er ihn doch zugleich,
dass dieselben einer genauen Ueberprüfung bedürfen und nach welchen Grundsätzen
diese Beurtheilung erfolgen müsse.
Die grosse Zahl von Bauprogrammen, welche Ferstel speciell für die Aus
arbeitungen seiner Schüler verfasste sind mustergiltig ebenso durch ihre geschmack
volle Zusammenstellung, wie durch ihre Bestimmtheit und Deutlichkeit. Die Wahl
des Stils aber war in den meisten Fällen dem Schüler freigestellt und bildete also
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