blick. Schreiber dieser Zeilen hat es an sich selbst erfahren. Und in dem Augenblicke,
in welchem es seinen intimen Freunden zur Gewissheit wurde, dass Ferstel aus dem
Leben scheiden müsse, schien es denselben, als sollten sie einen Bruder verlieren.
In den Mussestunden beschäftigte sich Ferstel mit Literatur, mit Musik und
mit seiner Kunstsammlung. Er war ein passionirter Sammler und begeisterter Musik
freund, ohne selbst persönlich bei der Aufführung von Musikstücken mitzuwirken, und
in seinem Hause wurde immer nur gute Musik getrieben, insbesondere zu der Zeit,
als er mit seinem Freunde Herbeck und Frau Dustmann in intimem Verkehr
stand. Ich erinnere mich noch oft der schönen Sonntagabende in seiner Villa zu
Grinzing, wo er Freunde um sich versammelte und wobei musicirt wurde. Seine
Beschäftigung als Architekt liess ihm allerdings wenig Zeit übrig, sich eingehend mit
der Literatur zu befassen, aber es gab keine hervorragende Erscheinung auf diesem
Gebiete, die er nicht beachtet oder das betreffende Werk nicht in seine Bibliothek
aufgenommen hätte. Dass unter diesen Umständen das gastliche Haus Ferstels
auch von hervorragenden Fremden aufgesucht wurde, ist wohl erklärlich. Unter den
Künstlern verkehrte er am liebsten mit dem Historienmaler Ferdinand Laufberger,
Baurath Stäche, Architekt Köchlin, die Maler Leop. Müller und Schönn, Glas
maler Geyling, Bildhauer Schönthaler u. A.
Mit der künstlerischen Anschauung Ferstels steht wohl auch seine Kunst
liebe und seine Sammellust im Zusammenhang. Er hinterliess eine sehr gewählte
Sammlung alter Kupferstiche, Radirungen, Gemälde und eine grosse Anzahl von
Skizzenbüchern, aus welch’ letzteren man erst recht die Begabung des Künstlers
kennen lernt. Er zeichnete ebenso fertig und frei Landschaften und Bäume als Archi-
tekturtheile und Statuen. Wäre der Unternehmungsgeist unserer Kunsthändler grösser,
als er thatsächlich ist, so würde zweifellos aus den nachgelassenen Skizzenbüchern
Ferstels ein Album von Handzeichnungen des Künstlers zusammengestellt werden,
welches gewiss von allen Kunstfreunden mit Freude begrüsst werden würde. Einige
der Handzeichnungen Ferstels sind in dieser Festschrift abgebildet, um dem Leser
ein Bild davon zu geben, wie Ferstel gezeichnet hat. Er hat ebenso gewandt Feder
zeichnungen hergestellt, als er mit dem Bleistift skizzirt hat. Als er im Jahre 1848 und
1849 die Akademie besuchte und ein systematischer Unterricht in der Architektur
nicht möglich war, übte er sich in der Malerei in dem Atelier Prof. Leop. Kupel
wiesers, der dem jungen Künstler besonders zugethan war. Einige Blätter auf unserer
Festausstellung stammen aus jener Zeit, wo er Modellportraits bei Kupelwieser in
Farben wiedergab. Die Blätter hat seine Mutter, die jetzt das achtzigste Lebensjahr
überschritten hat und sich voller Gesundheit erfreut, pietätvoll bewahrt. Seit jenem
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