MAK

Volltext: Heinrich Freiherr von Ferstel

blick. Schreiber dieser Zeilen hat es an sich selbst erfahren. Und in dem Augenblicke, 
in welchem es seinen intimen Freunden zur Gewissheit wurde, dass Ferstel aus dem 
Leben scheiden müsse, schien es denselben, als sollten sie einen Bruder verlieren. 
In den Mussestunden beschäftigte sich Ferstel mit Literatur, mit Musik und 
mit seiner Kunstsammlung. Er war ein passionirter Sammler und begeisterter Musik 
freund, ohne selbst persönlich bei der Aufführung von Musikstücken mitzuwirken, und 
in seinem Hause wurde immer nur gute Musik getrieben, insbesondere zu der Zeit, 
als er mit seinem Freunde Herbeck und Frau Dustmann in intimem Verkehr 
stand. Ich erinnere mich noch oft der schönen Sonntagabende in seiner Villa zu 
Grinzing, wo er Freunde um sich versammelte und wobei musicirt wurde. Seine 
Beschäftigung als Architekt liess ihm allerdings wenig Zeit übrig, sich eingehend mit 
der Literatur zu befassen, aber es gab keine hervorragende Erscheinung auf diesem 
Gebiete, die er nicht beachtet oder das betreffende Werk nicht in seine Bibliothek 
aufgenommen hätte. Dass unter diesen Umständen das gastliche Haus Ferstels 
auch von hervorragenden Fremden aufgesucht wurde, ist wohl erklärlich. Unter den 
Künstlern verkehrte er am liebsten mit dem Historienmaler Ferdinand Laufberger, 
Baurath Stäche, Architekt Köchlin, die Maler Leop. Müller und Schönn, Glas 
maler Geyling, Bildhauer Schönthaler u. A. 
Mit der künstlerischen Anschauung Ferstels steht wohl auch seine Kunst 
liebe und seine Sammellust im Zusammenhang. Er hinterliess eine sehr gewählte 
Sammlung alter Kupferstiche, Radirungen, Gemälde und eine grosse Anzahl von 
Skizzenbüchern, aus welch’ letzteren man erst recht die Begabung des Künstlers 
kennen lernt. Er zeichnete ebenso fertig und frei Landschaften und Bäume als Archi- 
tekturtheile und Statuen. Wäre der Unternehmungsgeist unserer Kunsthändler grösser, 
als er thatsächlich ist, so würde zweifellos aus den nachgelassenen Skizzenbüchern 
Ferstels ein Album von Handzeichnungen des Künstlers zusammengestellt werden, 
welches gewiss von allen Kunstfreunden mit Freude begrüsst werden würde. Einige 
der Handzeichnungen Ferstels sind in dieser Festschrift abgebildet, um dem Leser 
ein Bild davon zu geben, wie Ferstel gezeichnet hat. Er hat ebenso gewandt Feder 
zeichnungen hergestellt, als er mit dem Bleistift skizzirt hat. Als er im Jahre 1848 und 
1849 die Akademie besuchte und ein systematischer Unterricht in der Architektur 
nicht möglich war, übte er sich in der Malerei in dem Atelier Prof. Leop. Kupel 
wiesers, der dem jungen Künstler besonders zugethan war. Einige Blätter auf unserer 
Festausstellung stammen aus jener Zeit, wo er Modellportraits bei Kupelwieser in 
Farben wiedergab. Die Blätter hat seine Mutter, die jetzt das achtzigste Lebensjahr 
überschritten hat und sich voller Gesundheit erfreut, pietätvoll bewahrt. Seit jenem 
46
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.