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Volltext: Heinrich Freiherr von Ferstel

. Seit jener Zeit stehen wir in ununterbrochenem persönlichen und freundschaft 
lichen Verkehr und ich kann wohl sagen, dass im Laufe von 3% Decennien die auf 
richtige Hochachtung, die mir Dein ausschliesslich der Kunst und den Idealen zu 
gewendeter Sinn aufzwang, sich fortwährend gesteigert hat, nachdem ich auch die 
Lauterkeit Deiner Gesinnung und Deine Selbstlosigkeit näher kennen gelernt hatte. 
Noch als Schüler der Akademie 1851 trat ich bei einer Kirchenconcurrenz zum ersten 
Male in künstlerischen Wettstreit mit Dir. Viele Jahre später erst, nachdem ich meine 
Lehrjahre beendigt hielt, standen wir uns vielfach in Concurrenzen gegenüber, welche 
zur Klärung der damals unglücklich schwankenden Ansichten recht sehr beigetragen 
hatten. Die geringe Bauthätigkeit in Wien und die Unklarheit der Ziele, die auch an 
Orten einer reicheren Bauthätigkeit vorwogen, waren einem architektonischen Auf 
schwung vorerst noch nicht günstig. Bis an das Ende der fünfziger Jahre war allent 
halben die moderne romantische Richtung, der die Zukunft gehören sollte, vorwiegend; 
und selbst ein Hansen, der durch Studium und Vorleben am meisten von griechi 
schem Einfluss durchdrungen war, konnte dieser Zeitströmung nicht erfolgreichen 
Widerstand leisten. 
Es waren zwar jene reizenden orientalischen und mittelalterlichen, aber durch 
aus nicht antiken Formen, welche Deinen zahlreichen Werken jener Zeit, voran Deinem 
berühmten Wafifenmuseum, ihren Charakter aufprägen. Aus der so fein empfundenen 
originellen Art der Detailbildung hätte übrigens der weitsehende Kunstgelehrte Dir 
damals schon auf Jahr und Tag ausrechnen können, bis wann Du vollständig in das 
antike Lager übergehen musstest. 
Während alle Bauten jener Zeit durch die feine Charakteristik, sowie durch 
die allgemeine Schönheit dauernde Bedeutung bewahren werden, fällt Dein bahn 
brechender Einfluss doch erst in die sechziger Jahre. 
Das war die Zeit der ausserordentlichen baulichen Entwicklung Wiens, 
wo mit Einem Male Alles, was zum Bauen gehört, in richtigem Masse vorhanden war: 
Platz und auch Geld. Wie stand es aber mit den Baukünstlern? Man brauchte nur 
das Vorherentstandene und auch manche früheren Stadterweiterungsbauten zu be 
trachten, um zu begreifen, wie die Bauthätigkeit nun in dem Momente grösster Rath- 
losigkeit ausgeartet wäre, wenn nicht durch einige wenige Künstler jene Richtung 
vorgezeichnet worden wäre, die heute ganz allgemein mit dem Namen „Wiener Stil“ 
bezeichnet wird und welcher unserer Profan-, speciell Wohnhaus-Architektur eine ganz 
neue Grundlage gegeben hat. 
Und hier muss nun gleich ausgesprochen werden, dass allen Anderen voran 
Dein Beispiel massgebend blieb. In einer Reihe gerade zu rechter Zeit geschaffener 
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