MAK

Volltext: Bericht über die Weltausstellung zu Wien im Jahre 1873

112 
Arbeitskraft überaus nothwendig und geboten erscheinen lassen. 
Bei dem erweiterten Horizonte des Denkens, wie er sich den am 
Meere Wohnenden erschliesst, verbunden mit dem durch orien 
talische Elemente durchwachsenen Boden, vermöchte vielleicht 
eine unter so vielfachen Anregungen und Bedürfnissen sich aus 
bildende Haus - Industrie jenen Reiz der Originalität und des 
kosmopolitischen Charakters gewinnen, der Venedig manche noch 
heute bewunderte Eigenartigkeit in Kunst und Industrie verlieh, 
und zwar unter Handels- und Verkehrsverhältnissen, die engere 
Bande trugen als unser heutiges Culturleben. 
Umfasste die Ausstellung der additioneilen Abtheilung zu 
nächst österreichische Frauen-Arbeit, so gab es unter den Räumen 
des Ausstellungs-Gebäudes kaum einen, der unter seinen Schätzen 
nicht auch Frauen-Arbeit im Einzelnen aufzuweisen hatte; bei der 
ungeheueren Ausdehnung eine jeden Vergleich erschwerende Auf 
stellung. 
Im Gebiet der Haus-Industrie nahm seit Jahrzehnten 
die Maschine der Frauenhand viele Arbeiten ab, welche noch 
unsere Grossmütter geübt haben. Der Sinn dessen, was man 
damals ein Haus nannte, geht uns in der Enge unseres heutigen 
städtischen Lebens verloren. Das zum Bedarf des Hauses noth- 
wendige Weisszeug, die Frauenkleidung, Schmuck und Zier der 
Wohnung selbst, umschliessen für uns den Begriff der Haus 
industrie. 
Auf dem Gebiet der Mode, dem Begriff des wechselnden, 
im Gegensatz zu dem beharrenden der Nationaltrachten, geniesst 
Frankreich den Ruhm, dem Zeitgeiste am gewandtesten Form 
und Ausdruck zu verschaffen. Aber auch der Anspruchsloseste 
unter uns modern empfindenden Menschen kann sich in diesen 
abgelegten Lebensformen nicht mehr genügen. Zudem ist unser 
Begriff von Pracht, oder modern ausgedrückt von Luxus, ein 
anderer. Nicht Prunk genügt uns mehr, sondern gerade in das 
am leichtesten Vergängliche legen wir heute den Begriff der 
Eleganz; 2000 gestickte Hofkleider, 20.000 Thaler in Spitzen 
besitz im Nachlasse eines Mannes, wie Graf Brühl ihn hinterliess, 
lassen uns lächeln, und dass um ein paar goldene Ohrringe Venus
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.