121
darzustellen lieben, ohne dass ein quer gestochener Schatten die
Gleichniässigkeit der Stiche und das Schillern der Farbe unter
bräche. Hahn und Henne, Drachen und dickköpfige Hunde, ein
Storch ähnlicher, ihnen heiliger Vogel, und vor Allem die Farben
pracht des Pfauengefieders sind ihnen Lieblingsvorwürfe; eine
Decke von dunkelblauem Atlas, bedeckt mit Wasserpflanzen und
Blüthen, durch Vögel, Libellen und Schmetterlinge jeder Art
belebt, bildete ein Prachtbild der Ausstellung. Auch schwarzer
Atlas mit verschiedenartig gefärbten Goldfäden ä point-couehe
oder couchure plate, gestickte Kissen, Ledergiirtel, Brillenfuterale,
Taschen und Täschchen in jeder Art von Goldstickerei, Pracht
gewänder der Würdenträger oder schwarze Atlas-Frauengewänder
bis zum Knie und theilweise auf dem Bücken mit Stickereien
bedeckt, Fächer jeder Art und Bettschirme und kleine Pulte,
Bettdecken, deren Mittelstück ein farbenschillernder Pfau bildete,
Alles dies durfte sich den Besuchern der Ausstellung, Lehre
rinnen und Stickerinnen zur Belehrung und Nachahmung em
pfehlen. Unsere gebildeten Frauen müsste es reizen, nicht die
vollendete Technik allein nachzuahmen, sondern auch das freie
Spiel mit phantastischen Formen in geistvoller, unserem Geschmack
entsprechender Weise umzudichten, Haus und Zimmer nicht wie
bisher mit Fabrikmustern, sondern mit Arbeiten zu beleben,
denen etwas von ihrem eigenen Geist und Wesen eingebildet
wäre. Nicht das sinnlos Barocke der chinesischen Formen, nur
ihr freies, heiteres Formen - und Farbenspiel wollen wir zur
Belebung unseres Hauslebens ihnen ablernen, um unser eigenes
Leben zu bereichern, ohne unsere Eigenart daran zu geben. In
seiner Kunst spricht sich die Innerlichkeit eines Volkes aus, und
was uns in chinesischer Kunstarbeit zuerst als neu überrascht,
erkennen wir bald als rein mechanische Wiederholung von Formen,
die eben, weil ihre Bedeutung bereits abhanden kam, mit launi
scher oder burlesker Willkür gehandhabt werden. Gerade das
Gegentheil solchen Eindruckes ist es, den ästhetischer und ver
ständiger Frauensinn seiner Umgebung verleihen soll, damit nicht
Schablone und Modegeschmack, sondern Wunsch, Wille und
Gemiith der Herrin des Hauses auch dessen Einwohner beein-