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erwarten dürfen, da englische Neuerungen im Locomotivhau in
der Regel sehr rasch bekannt werden. Yon grossem Interesse
wäre es immerhin gewesen, wenn England eine Fairlie-Locomotive
und eine seiner neuen Express - Locomotiven ausgestellt hätte.
Zwei durchaus bewährte Transport-Methoden der neuesten Zeit,
das Gebirgsbahn-System nach der Construction der Rigi-Bahn
und die Hodgson’sche Drahtseil-Bahn, sowie eine Maschine
mit dem Grund’schen Apparat zur Begrenzung der Maximal-
Geschwindigkeit wurden ebenfalls vermisst. Dafür konnte die
geradezu imposante Vertretung Deutschlands, Oesterreichs und
Belgiens entschädigen, wobei besonders Belgien durch originelle
und zum Theil genial gedachte Neuconstructionen sich hervorthat.
Ueberhaupt hatten die ausgestellten Objecte durch die allgemeine
Anordnung, die Wahl der Constructionslinien und die Verhält
nisse im grossen Ganzen, wie in den Details gezeigt, welch hohe
Stufe man heute im Constructionsfache erreicht hat.
Die Dampf-Spannungen sucht man mit Recht auf das
zulässige Maximum zu steigern, denn bei allen Wandlungen,
welche die Locomotiven seit ihrer ersten Einführung durchgemacht
haben, hat nichts zu ihrem stetigen Erfolg mehr beigetragen, als
die Anwendung grösserer Dampfspannungen. Zwei Drittel der
ausgestellten Locomotiven waren für einen Dampfdruck von 9 bis
10 Atmosphären, die Krauss’sche und Haswell’sche Schmalspur-
Locomotive sogar für 12 Atm. construirt. Unter 8 Atm. wurde
bei keiner der ausgestellten Locomotiven herabgegangen *).
*) Da man voraussichtlich anstreben wird, künftig mit noch höheren
Spannungen zu arbeiten, so wird auch die Fabrication der Kesselbleche mit
den gesteigerten Anforderungen Schritt halten müssen, und wenn auch die
bisherigen Proben mit Stahlblechen den gehofften Erwartungen nicht
vollkommen entsprochen, so werden doch neue Erfahrungen zu neuen Erfolgen
führen. Man hat, im Vertrauen auf die Vorzüglichkeit des Materiales, jeden
falls in vielen Fällen, bei Verwendung des Stahls die Blechstärken zu sehr
reducirt, zugleich aber auch beim Sortiren des Materiales nicht die genügende
Strenge walten lassen. Die Bleche dürfen nicht zu wärm gewalzt sein und
müssen nach dem Bohren oder Lochen gut ausgeglüht, sorgfältig gebogen
und durchaus nicht unter Wasserdruck verstemmt werden. Die Maschinen
fabrik der österr. Staatsbahn hat bereits 50.000 Ctr. Neuberger Stahlbleche
zu Kesseln verwendet.