Man könnte damit die Anlagen einiger anderer Städte ver
gleichen, so insbesondere in Italien, dem klassischen Lande des
künstlerischen Städtebaues, die „Hügelstrasse“ (Viale dei Colli)
zu Florenz (J86t angelegt) und die Passeggiata Margherita zu
Rom (1884 angelegt). Doch sind diese naturgemäss von viel
geringerer Ausdehnung. C
Die neue Höhenstrasse verläuft im allgemeinen so nahe dem
Waldrande, dass von zahlreichen Punkten aus auf ihr der Über
blick über ganz Wien und noch weit darüber hinaus möglich
sein wird. □
In dem von der Höhenstrasse durchzogenen Teil des Wald-
und Wiesengürtels liegt längs der unregelmässigen Begrenzung
der gegen die Stadt hin zungenartig auslaufenden Waldbestände
ein Wiesenstreifen von ungleicher Breite, die eben so ausge
mittelt wurde, dass von jeder Stelle des oberen Randes der
freie Blick auf die Stadt gewahrt ist. □
Vielfach geht jedoch der Strassenzug selbst auch mitten durch
den Wald, wodurch dem Auge eine willkommene Abwechslung
geboten wird. □
Die Höhenstrasse ist als FAHRSTRASSE gedacht, ihre Stei
gungen sollen 60°/oo nicht überschreiten, so dass Wagen noch
in leichtem Trabe fahren können. Die Breite der Fahrbahn
wurde mit 8 m angenommen? stellenweise sollen zu beiden
Seiten der Fahrbahn Alleen angelegt werden. Der Gehweg wird
in selbständiger Ausbildung durch die anstossenden Wald- und
Wiesenflächen, die an hiezu geeigneten Stellen auch gärtnerisch
behandelt werden können, geführt werden. □
ANFANG und ENDE der Höhenstrasse liegen einerseits in
der Fortsetzung der vornehmen Villenstrasse der Hohen Warte,
anderseits in der Fortsetzung der bedeutendsten radialen Ver
kehrsader, der Mariahilferstrasse. Im übrigen wird sie an vielen
Punkten sowohl durch die bereits bestehenden Hauptstrassen-
züge (Währingerstrasse, Gersthoferstrasse, Pötzleinsdorfer Allee,
Aiszeile, Hernalser Hauptstrasse, Ottakringerstrasse und Stein
hofstrasse) mit der Stadt verbunden sein, als auch durch neu
anzulegende Strassenzüge und Verbesserung bereits bestehender
Fahrwege (dies insbesondere in der Richtung gegen den Kahlen
berg). Dadurch wird es möglich sein, die Fahrt oder den
Spaziergang nach Belieben auch auf einzelne Teilstrecken zu
beschränken. □
Auf der Höhe des 273 m über dem Donaustrom gelegenen
Dreimarksteines bei Salmannsdorf, über den die Höhenstrasse
führt und der schon von der Stelle, wo die Währingerstrasse
in die Ringstrasse einmündet, aus sichtbar ist, soll ein AUS
SICHTSTURM von etwa 30 m Höhe errichtet werden, der
nebenbei als Wasserturm für die höchstgelegenen Teile der
Stadt benützt werden wird. Ausserdem wird sich wohl in Zukunft
Gelegenheit ergeben, einzelne andere Punkte durch Architekturen,
Denkmäler oder in anderer Art auch künstlerisch auszuschmücken.
Die Höhenstrasse bietet schon an sich grosse LANDSCHAFT
LICHE SCHÖNHEITEN in reichster Abwechslung, vor allem
aber gewährt sie WEITE AUSBLICKE von der grössten land
schaftlichen, geschichtlichen und auch naturwissenschaftlichen Be
deutung. Da unten liegt an dem mächtigen Strom die alte
Kaiserstadt, umgeben von dem grünen Gürtel, wie ein kost
barer Edelstein von einer kostbaren Fassung. Hoch über das
Häusermeer empor ragt Wiens Wahrzeichen, der Stephansturm,
vielleicht der schönste gotische Turm der Welt. Über die wohlig
gerundeten Kuppen des Wienerwaldes und das kulturreiche
Wiener Becken schweift das Auge bis an die Grenzgebirge des
Erzherzogtums, die sich im Schneeberg bis über 2000 m erheben,
während jenseits der Donau die fruchtbare Ebene sich fast ins
Endlose verliert. □
Unwillkürlich verknüpft sich der Rundblick mit Erinnerungen
an die grossen Ereignisse, die Wien mehr als einmal zum Mittel
und Wendepunkt der europäischen Geschichte gemacht haben.
Die „Türkenschanze“ und das Kahlengebirge, von dem herab die
vereinigten christlichen Heere zum Entsätze Wiens von der zweiten
Türkenbelagerung vor drangen, gemahnen an die Zeit, da Wien
seine welthistorische Sendung dadurch erfüllt hat, dass es das
ganze Abendland von der Gefahr des Islams endgültig befreite?
das Marchfeld war wiederholt die Wahlstatt, auf der die Geschicke
grosser Ländergebiete entschieden wurden, so im Kampfe Rudolfs
von Habsburg mit Ottokar und in den Kriegen Napoleons,
der hier bei Aspern — das heute ein Teil Wiens ist — seine
erste Niederlage in offener Feldschlacht erlitt, und stromabwärts
gewahrt man die Höhen, die über Carnuntum emporragen, der
wichtigen Grenzfeste des Weltreiches der Römer. Ja, selbst in
Zeiten, die aller menschlichen Erinnerung unendlich weit voraus
liegen, erschliesst sich hier ein Ausblicks das geschulte Auge
des Geologen erkennt mit voller Sicherheit (an einer Stelle
Zwischen Grinzing und dem Kahlenberg und dann an den
Bergen bei der Mündung der March) die Ufer des Meeres,
das vor ungezählten Jahrtausenden das Wiener Becken aus
gefüllt hat. □
Die Gemeinde Wien veröffentlicht in Form einer Broschüre, die
im Kommissionsverlag von Gerlach & Wiedling erschienen ist,
das ganze Projekt, dem fünf Pläne beiliegen. Eine Vergleichung
mit London, Paris und Berlin ergibt, dass Wien verhältnismässig
das grösste Gesamtausmass an Wald-, Garten- und Wiesenflächen
besitzt. Die Idee des Wald- und Wiesengürtels ist gut zu heissen,
insoferne sie die Erhaltung des Garten- und Waldgebietes sichert.
UNNATÜRLICH ERSCHEINT MIR DIE EINRICHTUNG
DES HAUSBESITZERTUMS. DAS HAUS - BEINAHE
DAS PERSÖNLICHSTE UNTER DEN ÄUSSEREN DIN
GEN, GLEICHSAM DIE WEITE HAUT DES DASEINS -
SOLLTE MIT DEM EINZELNEN VERWACHSEN SEIN,
WIE ES DIE SCHNECKE MIT IHREM HAUSE IST.
STATT DESSEN MACHT MAN EIN GESCHÄFTSOBJEKT
DARAUS! STATT DESSEN BAUT MAN MIETSKASER
NEN! ES IST SCHMERZLICH, ZU SEHEN, DASS DIE
LEUTE DER AUFENTHALT IN DIESEN RÄUMEN
NICHT SCHMERZT. WIE UNECHT DAS VERHÄLTNIS,
ZEIGT SCHON DER VERLOGENE STIL DIESER
BAUTEN. OUCKAMA KNOOP.
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