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KELTISCHE ORNAMENTE. 
Ausser den Scandinaven aber, haben auch die frühen, und fähigsten Künstler aus der Sehule Karls des 
G,essen und seiner Nachfeiger, so - die der Lombardei, in ihre prachtvolle Manuscripte so manch, 
Eigenthümlichkeit der keltischen Ornamente aufgenommen. Doch mischten s,e d.esen Ornamenten manche 
classische Verzierungen bei, fugten den Acanthns und anderes Blattwerk hinzu, und verliehen dadurch rhren 
Handschriften eine Anmuth, die man vergeblich in unsem so atmgearbeiteten Kunstwerken derselben , 
findet, deren bis anfs äusserste getriebene Verwickelung oft peinlich wird. Fig. 25, Tafel LXIV copn en 
wir aus dem goldenen Evangeliarium, im brittischen Museum, einer herrlichen Leistung fränkische, 
Kunst im neunte» Jahrhundert, worin die eben besprochene Combination von Ornamenten sieb offenbar,. 
Die angelsächsischen und irischen Muster wurden in einigen der grossen fränkischen Manuscripte so genau 
copirt (obwohl im vergrösserten Masstabe), dass man ihnen den Namen fränkisch-sächsischer Handschriften 
gab. Dasselbe ist der Fall mit der in de, Biblotheque Nationale zu Paris befindlichen Erbe von St. Berns, 
von welcher vierzig Seiten im brittischen Museum verwahrt werden. Fig. 31, Tafel LXIV., nt m wir - 
licher Grösse aus diesem Manuscript abcopirt. 
E. bleibt nun noeh zu untersuchen übrig, ob nicht etwa Byzanz oder das Morgenland die Grundideen 
geliefert haben mögen, welche die frühen keltischen Künstler nachher m der Zuruckgezogenhe, . rer 
Klöster ferner entwickelten, und die hier behandelten vollendeten Muster darnach bildeten. Der Umstand 
dass dieser keltische Omamentationsstjl vor Ende des siebenten Jahrhunderts vollkommen entwickelt, und 
das» Byzanz schon seit der Mitte des vierte» Jahrhunderts der Mittelpunkt de, Künste war, zeigt wohl 
auf die Möglichkeit hin, dass die brittischen oder irischen Missionäre (welche beständig nach dem he, .gen 
Land und nach Aegypten reisten) wohl daselbst die Principien einiger dieser Ornamente geschöpft haben 
möoen. Diese Behauptung zu beweisen, wäre freilich eine schwierige Sache, indem von der rem byzan mi 
schen Kunst, wie sie vor dem siebenten oder achten Jahrhundert existirte, nur sohl V emgcs 
ist. Hingegen ist es gewiss, dass die Omamentation der Sophienkirehe, wie man aus den herr ic en von 
H Salzenberg herausgegebenen Illustrationen ersehen kann, keine Aebnlichkeit mit unser» keltischen Mus em 
hat; doch gleichen diese letztem mehr den spätem, sowohl als den frühen Monumenten des Berges; A os, 
von denen sich mehrere Darstellungen in der Iconographie de Pi«, von Dideron befinden. Die Fig. , 
13-1« 18-23, der ägyptischen Tafel X., und die Fig. 1, 4, 6, 7, Tafel XL, stellen Muster vor, die aus 
Spirallinien oder Seilen gebildet sind, welche wohl den keltischen Künstlern die erste Idee ihrer spiralför 
migen Muster eingegeben haben mögen. Doch muss bemerkt werden, dass die Spirallinie in den meis en 
äoyptischen Mustern die Gestalt eines S hat, nur in Fig. 11, Tafel X., ist sie in der t orm eines C gebildet 
und kommt daher unsem Mustern viel näher, so sehr verschieden auch die letztem 1» ihren Details sind. 
Die künstlich ausgearbeiteten Verschlingungen, die in der maurischen Ornamentation so allgemein Vor 
kommen, stimmen gewisse,messen mit den Ornamenten der sklavonischen, ath,opisehen und s,„sehen 
Handsehriften überein, von denen zahlreiche Beispiele in dem Werke Silvestre’s, sowohl als in unsrer eigenen 
Palccographi«. Sacra Pie fori« angeführt sind; und da alle die genannten Manuscripte ihren Ursprung von 
Byzanz „der dem Berg Athos herleiteten, so lässt es sieh annehmen, dass ein ähnlicher Ursprung der Idee 
unserer Manuscripte zu Grunde lag;-diese Idee aber wurde von den irischen und angelsächsischen Kuns - 
lern auf verschiedene Weise aufgefasst und entwickelt. 
Es erhellt also aus den Beweisen die wir hier zusammenzufassen uns bestrebt haben dass die frühen 
Künstler dieser Inseln, seihst wenn man zugeben will, dass sie den Keim ihrer eigentümlichen Stylarten 
einer andern Quelle als ihrem Nationalgenie verdankten, doch jedenfalls, zwischen der Epoc re er un u - 
rung des Christenthums und dem Anfang des achten Jahrhunderts, mehrere verschiedene Systeme der 
Ornamentation gebildet haben, die, im Zustande ihrer völligen Entwickelung, sich von der \Wse aller 
andern Länder vollkommen unterschieden ; und das bewirkten sie überdies zu einer Zeit, wo, mF olge der 
Zerstückelung des grossen römischen Reichs, ganz Europa in Bezug auf die Künste in tiefe 
versenkt lag. 
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