ITALIENISCHE ORNAMENTE.
verschiedenen Ursachen wurde der Bau eingestellt, bis Giacopo später, unter Papst Clement, wieder
zurückkehrte und die Fortsetzung des Werkes unternahm. Von dieser Zeit an war er in jedem wichtigen
Werke zu Eom hetheiligt, bis er diese Stadt, nach Einnahme und Plünderung derselben durch die
Franzosen am 6 ten Mai, 1527, gänzlich verliess.
Giacopo flüchtete sich nach Venedig mit der Absicht sich nach Frankreich zu begehen, wo der König
ihm Beschäftigung angetragen hatte. Doch bewog ihn der Doge, Andrea Gritti, zu bleiben um die
Restauration der Kuppeln von S. Marco zu unternehmen. Diese Arbeit vollendete er zur allgemeinen
Zufriedenheit und erhielt, als Anerkennung seines Verdienstes, den Posten eines Proto-Maestio der
Republik, nebst einem Wohnhaus und einem Jahrgehalt. Er verwaltete sein Amt mit der grössten Umsicht
und Emsigkeit, und es gelang ihm, mittelst mancher Verbesserungen und Veränderungen, die er in der
Stadt bewerkstelligte, die Einkünfte des Staates zu vermehren. Zu seinen schönsten Werken — und man
kann sagen zu den schönsten Werken der italienischen Kunst—gehören die alte Bibliothek, die Münze
(Zecca), die Paläste Cornaro und Moro, die Loggia am Glockenthurm von S. Marco, die Kirche San
Georgio dei Greci, die Statuen der Riesentreppe, das Monument des Francesco Veniero, und die Bronze-
thüren der Sacristei. Seine Persönlichkeit wird von Vasari (herausg. v. Bohn, Band V., Seite 426)
als höchst angenehm, verständig, liebenswürdig, muthig und thätig geschildert. Er wurde allgemein
verehrt und hatte zahlreiche Schüler, unter denen, Tribolo und Solosmeo Danese, Cattaneo Girolamo von
Ferrara, .Tacopo Colonna von Venedig, Luca Lancia von Neapel, Bartolommeo Ammanati, Jacopo di
Medici von Brescia, und Alessandro Vittoria von Trident, genannt zu werden verdienen. Er starb am
2 ,eD November 1570, im Alter von drei und neunzig Jahren; “und obgleich seine Lebensjahre (wie Vasari
sich ausdrückt) im gewöhnlichen Laufe der Natur zu Ende gingen, beklagte doch ganz Venedig seinen
Verlust.” Dem günstigen Einfluss Sansovinos verdankt die venezianische Schule hauptsächlich ihre
Berühmtheit in den Kuntstarbeiten von Bronze.
Wenden wir uns nun von Italien nach Frankreich um den Faden der Nationalfortschritte in diesem
Lande wieder aufzufassen, den die italienischen Künstler, welche ungefähr im Jahre 1530 in den Dienst
Franz I. traten, und die sogenannte “ Schule von Fontainebleau,” bildeten, eine Zeitlang unterbrochen
hatten. Der einflussreichste Meister unter dieser Schaar war Primaticcio, dessen Zeichnungsweise auf
dem Verhältniss-System des Michelangelo begründet, doch mit etwas verringerten Gliederungen und einer
ziemlich manieristischen Grazie in geschlängelten Linien dargestellt war. Die der Schule von Fontainebleau
eigenthümliche Anordnung und Auffassungsweise des Faltenwurfes übte einen ausserordentlichen Einfluss
auf die heimischen Künstler aus, und zwar nicht nur in diesem besondern Fache, sondern in der Orna-
mentation im Allgemeinen. Die eigenthümlich geknitterten Falten der Gewänder, anstatt m der Richtung
zu fliessen, wie sie, sich seihst überlassen, wohl natürlich fallen würden, waren in ihrer Anordnung nur
darauf berechnet, die Lücken der Composition so gut als möglich auszufüllen. Diese Auffassungsweise
führte eine allgemeine Leichtfertigkeit in der Behandlung ähnlicher Elemente herbei, und erzeugte jenen
flatterhaften Styl der sich in all den Werken jener Meister darthut, die die herrschende Mode der Zeit
nachahmten und befolgten. Unter den bedeutendsten dieser Künstler verdient der berühmte Jean Goujon,
am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts in Frankreich geboren, nahmhaft und besonders hervorgehoben
zu werden. Seine vorzüglichsten Werke, die glücklicherweise grösstentheils noch gegenwärtig existiren,
sind: die “Fontaine des Innocents” zu Paris (1550); die Gallerie im Saale “des Cent Suisses,
gegenwärtig “la Salle des Caryatides ” genannt, welche auf vier kolossalen weiblichen Figuren ruht, die zu
seinen besten Leistungen gerechnet werden; die berühmte Diane dePoitiers, “ Diane Chasseresse” genannt,
ein kleines und herrliches Flachrelief desselben Bildes; seine hölzernen Thüren an der Kirche St. Maclou
zu Rouen; sein Schnitzwerk im Hofe des Louvre; und sein « Christ am Grabe ” im Museum des Louvre.
Goujon theilte den Enthusiasmus den die Entdeckung der Schriften des Vitruvius allenthalben hervor
gerufen hatte, und schrieb einen Aufsatz darüber, der in der Uebersetzung des Vitruvius von Martin im