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obenerwähnten Werken in technischer Beziehung auch darin aus, dass
man die einzelnen Glasstücke in kleinen Dimensionen Zuschnitt und ver
bleite, so dass die Gemälde, getreu ihren alten Vorbildern, den mosaik
artigen Charakter behielten. Das Nachgeben an eine Verlockung, welche
aus den mechanischen Fortschritten auf dem Gebiet der Glasbläserei
erwuchs, die Aenderung nämlich, durch welche man allmälig immer
grössere Platten anwendete, hat die gesammte Kunst der Glasmalerei im
Lauf der Jahrhunderte dem Verfalle entgegengeführt. Sie kam dadurch bald
in die Gefahr das Oelbild nachäffen zu wollen und erlag auch derselben.
Die ausgestellten grossen Kirchenfenster aus der Glasfabrik von Meyer’s
Neffe in Adolf bei Winterberg in Böhmen besitzen den Vorzug eines
schönen, starken Glases und haben ihre Verbleiungen dem Zug der Linien
und Schatten klug angepasst, wodurch ihr störendes Zerschneiden der
bemalten Flächen vermieden ist, in der Zeichnung aber ahmen sie leider
völlig den Styl der barocken Altartafeln nach, die unglücklichsten Vor
lagen für unsern Zweig der Malerkunst.
Die Arbeiten C. Geyling’s in Wien für die Lothringer-Capelle
in Nancy erfreuen durch den satten Ton, der allerdings an der Grenze
steht, wo die Nachahmung der Oelmalerei im Glase anfängt. Die Cartons
dazu rühren von der Hand Michael Ri es er’s, Professor an der Kunst
gewerbeschule, her und zeugen von einem klaren Verständnisse für die
einfache Linienführung, welche das Haupterforderniss eines Entwurfes tür
Glasgemälde ist. Ein Blick auf diese neuesten Leistungen der Geyling-
schen Anstalt lässt einen erheblichen Fortschritt, namentlich im Colorite,
gegen die früheren Arbeiten nicht verkennen. Von Josef Heilig in Wien
sehen wir drei verschiedene Arbeiten, die thronende Maria in dem Ca
pellenfenster ist eine recht gefällige Figur, auch die Kraft der Fabentöne
verdient Anerkennung, die Architektur jedoch gemahnt noch an die spie
lende decorative, nicht constructive Auffassung der Gothik, welche die
erste Hälfte unseres Jahrhunderts charakterisirt. Dagegen begrüssen wir
gerne die Wiederaufnahme der Wappenmalerei auf Glas, in welcher das
16. und 17. Jahrhundert, Deutschland, die Schweiz und die Niederlande
Vorzügliches geleistet haben. Vor Allem wäre diese Richtung der Glas
malerei geeignet, dem fremdgewordenen Genre wieder die Thüre zu
Öffnen, die Thüre des Wohnhauses nämlich, durch welche heutzutage der
ganze wieder erstandene Chor der schönen alten Künste in’s Leben
eintreten zu sollen scheint. I.