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gewendet, jedoch nicht etwa copirt und abgeschrieben worden, sondern er
scheinen hier in derjenigen Weise benützt, wie der geistvolle Künstler einer
späteren Epoche allein vorgehen kann, der die Schätze der Vergangenheit
verwerthen, dabei doch aber seine Selbstständigkeit beweisen will. Denn, um
in den Rahmen des Ganzen zu stimmen, dessen Formen den reinsten
Charakter der italienischen Renaissance besitzen, sind die Motive des alten
deutschen Meisters mit ihrem eigentümlichen Reize bewahrt und dennoch
in der Formengebung dem leichteren, zierlicheren Style des Südens näher
gebracht. Ein ebenso grosser Vorzug des Werkes ist ferner, dass in der
Schattengebung, in dem Hineingearbeiteten, in den Schraffirungen des
Elfenbeines die Grenze eines strengen Masshaltens nicht überschritten,
sondern diesbezüglich die Manier der Stiche Aldegrever’s genau befolgt
wurde. Der ältere deutsche Kupferstich mit seinen wenigen und doch so
wirksamen Mitteln schlichter Linienführung zeigte die Weise und das
Mass für die Behandlung des Elfenbeins zu diesem Zweck. Wir heben
das hervor, weil heute nicht selten — und auch die Ausstellung hat
Beispiele davon — die Elfenbeineinlagen wie moderne Stahl- und Kupfer
sticharbeiten in allzureicher, malerischer Manier schattirt und schraffirt
zu werden pflegen, wodurch sie von einiger Distanz auch den Eindruck
mit der Schere ausgeschnittener und auf das Ebenholz geklebter Stiche
machen.’ — Die technische Ausführung gehört, gleichwie die des ganzen
Schreines, zu dem exactesten der heutigen Technik und verdient den
Preis einer musterhaften Leistung.\
Ganz gefällige eingelegte Arbeit in diesem Stoffe, figurale Scenen,
Gruppen von Kindern und Ornamente, zeigt ferner ein im Atelier Schön-
thaler gefertigter Schrank von schwarzem Holze. Wir befinden uns damit
bei einem Ausstellungsgegenstand, von welchem das in dem Einleitungs
artikel Gesagte gilt, wir sind leider nicht in der Lage den Künstler zu
nennen. Die Zeichnung und der Schnitt sind rein und scharf, in der
Schattengravirung höchstens etwas zu viel gethan. Das daselbst befind
liche Notenpult hat dünne, stark geschweifte Ornamente von Elfenbein,
eine saubere Arbeit, die wohl von derselben Hand herrühren mag. End
lich ist ein Tisch mit schön eingelegter Platte zu erwähnen, ausgeführt
vom Tischlermeister Josef Schalhas in Wien. Die Verzierungen sind
etwas phantastisch, doch recht genau und nett ausgeführt.
Die Holzintarsien zerfallen in figurale und ornamentale Compositio-
nen, wenn es gestattet ist, zu dieser Gruppe überhaupt eingelegte Holz
arbeiten, also auch jene Mobilien herbeizuziehen, welche nicht ganze
Flächen in der Weise des Mosaiks von den Holzstückchen völlig incru-
stirt haben, sondern nur an einzelnen Theilen in decorativer Weise damit
verziert sind. Ganz eingelegt und mit figuralem Schmucke versehen ist
nur ein Gegenstand, das schöne, betstuhlartige Hausaltärchen Vom Bild
hauer Josef Leimer, welches auch durch die reizende, stylvolle Behand
lung des gothischen Schnitzwerks und der Standbilder im Innern des