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Zwar hatte es vor Jahren den Anschein, als ob in der Wiener
Staatsdruckerei eine Pflanzschule für Photographie und für ihre Verbin
dung mit den anderen graphischen Künsten geschaffen worden wäre, doch
die eigenthümlichen Erfahrungen, welche der Erfinder einer lebensfähigen
Methode machen musste, zeigten, dass in der betreffenden Abtheilung
nicht der Geist der freien Forschung und des uneigennützigen, eben nur
die Förderung des Faches berücksichtigenden Strebens zur Geltung kam.
In neuerer Zeit scheint die Aufgabe der Staatsdruckerei eine wesentlich
andere zu sein, als ihr wenigstens zum Theile in früherer Zeit gestellt
war. Die Aufgabe als Musteranstalt, als eine Art Versuchsstation wirk
sam zu sein, wurde ihr entzogen.
Auch am physikalischen Institute der Wiener Universität hatte unter
der Leitung des um die Einführung der Photographie in Oesterreich
hochverdienten Freiherrn von Ettingshausen die Photographie
wenigstens in dem engen Kreise der Seminaristen einige Pflege gefunden,
doch konnte dieselbe mit Rücksicht auf den eigentlichen Zweck der Lehr
anstalt nicht in der Weise ausgedehnt werden, wie dies für die erfolg
reiche Entwicklung der verschiedenen photographischen Zweige insbeson
dere bei den gesteigerten Anforderungen der Gegenwart wünschenswerth
gewesen wäre.
Man hat bei uns für Hüttenmänner Curse über Metallurgie und
Probirkunde, für Landwirthe chemische Versuchsstationen, für Weber
eigene Webereischulen, für Maler specielle Curse über Physik und Chemie
in das Leben gerufen. Sollte die Photographie mit ihren Anwendungen
auf alle Zweige der reproducirenden Künste unberücksichtigt bleiben?
Gewiss würde das Fach sehr gewinnen, wenn an die Stelle der Empirie
ein Arbeiten auf Grundlage einertüchtigen theoretischen Vorbildung treten
könnte.
Man wird uns vielleicht einwenden, dass an anderen Orten, z. B.
in London, manche der neueren photographischen Methoden bereits ohne
solche Unterstützung eine eifrigere Pflege gefunden hat, als bei uns. Wer
aber bedenkt, zu welch billigen Bedingungen in London neuen Ideen
bedeutende Capitalien zur Verfügung gestellt werden, und wer die Ge
schichte so mancher der einschlägigen Unternehmungen studirt, wird
einräumen müssen, dass wir unter ungleich ungünstigem Verhältnissen
arbeiten müssen.
Kehren wir nach diesem Excurse zum eigentlichen Gegenstände
zurück, so können wir trotz der eben geschilderten Verhältnisse auf
manche gelungene Leistung hinweisen.
Der Kohle- oder richtiger gesagt Pigmentdruck fand an Herrn
Hofgärten-Director Franz Antoine einen Vertreter, indem dieser aus
gezeichnete Dilettant einige in schwarzer, rother und Bronzefarbe her
gestellte Reproductionen linearer Zeichnungen ausstellte. Das hiebei be
nützte Verfahren gehört zu den älteren und ist eben nur für lineare Dar-