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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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die Genannten sich an coloristische Aufgaben gewagt, welche äller An 
strengungen und Finessen des mit noch so vielen Steinen manipulirenden 
Chromolithographen spotten. Im Durchschnitt aber wird höchst Respec- 
tables geleistet, Und die Bedeutung dieser Industrie darf nicht unterschätzt 
werden. Da sie verhältnissmässig sehr wohlfeil arbeitet, ist sie in der 
Lage, die abscheulichen Schmierereien, welche bis vor Kurzem die Wände 
nicht blos der Hinterwäldlerwohnungen diesseits und jenseits des Oceans 
verunzierten, zu verdrängen und für die Ausbreitung eines besseren Ge 
schmackes in den am schwersten zugänglichen Regionen zu wirken. 
Die Verzierung der Bucheinbände nimmt ihren Entwickelungsgang 
parallel dem der ornamentalen Künste im Allgemeinen. Ermüdet von den 
ewigen Palmettenkränzen und Perlenstäben, aus welchen Elementen die 
Goldzier der Rücken und Deckel ziemlich stereotyp zusammengesetzt 
wurde, griff man vor etwa dreissig Jahren auf die Muster des Rococo 
zurück, deren Arabesken der Phantasie freieren Spielraum, reichere Ab 
wechslung gewährten. In den besten Fällen wurden die Deckel, aber 
auch die Rücken, wie Wandfüllungen behandelt, deren barocke plastische 
Einrahmungen hier in vertieftem Golddruck wiedererschienen. Häufiger 
aber breiteten sich die Zierrathe in völliger Regellosigkeit und Launen 
haftigkeit aus, und die Mode scheute selbstverständlich auch vor dem 
absolut Widersinnigen nicht zurück, wenn es »originell« war. Wenn Ge 
genwärtig wieder die Einbände aus jener Zeit nachgeahmt werden, bei 
welcher wir fast in jeder Verlegenheit Hilfe suchen, so geschieht das 
nicht aus blosser [Lust am Alterthümlichen oder aus Principienreiterei 
sondern weil damals die Ornamentation sich, wie sie soll, den natürlichen 
Bedingungen des Gegenstandes anpasste. So wird der Rücken eines Buches 
durch die Bänder, auf welche die Druckbogen aufgereiht sind, ganz natur- 
gemäss in Felder getheilt; es hat um so weniger Sinn, diese constructiven 
Glieder künstlich zu verbergen, als sie die beste Gelegenheit zum An 
bringen von Ornamenten bieten. Die auch äusserlich stark hervortreten 
den Bänder schützen zugleich die Verzierungen, mit welchen die Felder 
cäSsettenartig gefüllt sind, gegen zu schnelle Abnützung, wie die Metall 
knöpfe den Deckel. Allerdings sieht man diese Dinge noch oft ohne Ver 
ständnis behandelt wie bedeutungslosen Zierrath: anstatt der aufliegenden 
Bänder erscheinen Vertiefungen oder die Knöpfe werden durch aufliegen 
den Bronze- und Emailschmuck, Wappenschilder u. dgl. m. überragt, so 
dass sie, anstatt zu schützen, selbst gegen die Berührung mit der Tisch 
fläche geschützt werden. Im Allgemeinen ist man aber aber auf dem rich 
tigen Wege. 
Auf unserer Ausstellung wurden die Einbände für den wirklichen 
Gebrauch fast ganz in Schatten gestellt durch die prachtvollen und kost- 
spieligen Hüllen für Diplome, Adressen, Albums u. s. w., wie sie aus 
den Ateliers von Aug. Klein, Leopold Groner u. A. hervorgehen. 
Wenn bei diesen Arbeiten die Aufmerksamkeit des Beschauers vornehm-
	        
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