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dort aufgestellten, ganz massgebenden Geschmacksregeln sich auch nur
auf das Bild und seinen Rahmen beziehen wollen, welches einen Bestand-
theil in der mannigfach wechselnden Ausstattung des Wohngemaches bildet.
Hier ist es billig, dass der Wand und ihrer Decoration in der Frage über
das Wie der allgemein angewendeten Stylform die erste Stimme zuge
standen wird und so gut wie die Form der Möbel, der Gefässe, die Or
namente der Drapirungen etc. auch die Verzierungen der Bilderrahmen
sich diesem durch die Wandtapete entschiedenen allgemeinen Charakter
unterordnen sollen. Wir werden es ganz vernünftig finden, in einem der
artig decorirten, nach moderner Weise der Hauptsache nach zur italieni
schen Renaissance gehörigen Wohngemache ein Gemälde der altdeutschen
Schule und wieder ein spätes Cabinetsbildchen niederländischen Ursprungs
in einer Umrahmung zu beherbergen, die im Geiste des 16. Jahrhunderts,
im Style der italienischen Ornamentisten dieser Zeit, componirt ist, denn
nichts wäre lächerlicher und gräulicher für den Anblick, als das erste in
roth angestrichenem Leistenrahmen, das andere im barocken, überladenen
Rahmen seiner Periode an Einer Wand schauen zu müssen, einer Wand,
die selbst weder mit der einen noch mit der andern Stylrichtung in ihrer
Decoration übereinstimmt. Die einheitliche Haltung des Ensemble ist
hier die Hauptsache und ein historischer Purismus müsste zu Unsinn und
Ungeschmack verführen.
Aber es gibt noch andere Orte, wohin Bilder kommen, Räume, in
denen nicht die Tapete und ihre Zeichnung, nicht ein reiches Ameuble
ment die Hauptsache bildet und umgekehrt das Gemälde nicht ein blosser
Theil einer Inneneinrichtung, sondern sein Hervortreten der alleinige
Zweck ist: der eigentliche Bildersaal, die Gemäldegalerie. Hier ist die
Wand mit einem neutralen Farbenton, mit einem bescheidenen Muster
bedeckt, das überdies nur in schmalen unbedeutenden Flächen zwischen
den Gemälden sichtbar wird; von einem Einfluss ihrer Decoration auf die
der Rahmen kann hier keine Rede sein. Dennoch aber brauchen wir
eine Norm für die Herstellung derselben, es muss auch da Grenzen geben,
welche nicht überschritten werden dürfen, eine leitende Idee, durch deren
Befolgung der Willkür in der Ausschmückung gesteuert, für die Gemälde
aber eine vortheilhafte Wirkung ihrer Umgebung gewonnen würde. Im
Allgemeinen gelten auch in diesem Falle jene Regeln, welche an ge
nannter Stelle aufgezählt sind, auf die ich hier einfach verweise: wir
werden die massenhafte, schreiende Wirkung des Goldes zu meiden haben,
welche das feingestimmte Colorit erstickt und das harte, grelle noch un
harmonischer macht; wir werden das Vorherrschen der Flächen an den
Rahmen sehen wollen, nicht überkräftiges Relief; sie sollen die Gemälde
nur abgrenzen, nicht aber durch fussbreite Goldwüsten die Malereien von
der Wanddecoration oder unter einander wie Oasen scheiden etc.
Darüber findet sich Alles gesagt, wie es auch an den Rahmen des
Bildersaales seine Anwendung finden muss. Eine andere Frage ist die-