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populäre Anstalt für Stickerei von Uffenheimer in Innsbruck, deren
Arbeiten sich grosser Verbreitung unter der Geistlichkeit erfreuen, der
Reform in der gleichen Richtung sich angeschlossen hat. Ebenso arbeitet
die Stickanstalt von Wagner in Kommotau wenigstens technisch in der
selben Art, wenn auch das ausgestellte grosse Panneau eine weltliche
Bestimmung hat. Diese Anstalt, einem Mittelpunkte des Kunstlebens
fern stehend, hat natürlich mit doppelten Schwierigkeiten zu kämpfen ;
um so mehr ist ihr Streben anzuerkennen, mit dem sie sich auf die Höhe
einer wirklichen Kunstanstalt empor zu arbeiten trachtet.
Ueberhaupt ist man, wie namentlich Giani zeigt, nachdem man die
neue Weise an kirchlichen Aufgaben geübt hatte, damit auf Gegenstände
weltlicher Art übergegangen. Vereinsfahnen, Banner, Baldachine, Gehänge
und ähnliche Gegenstände bieten sich wieder zahlreich als Objecte der
Kunststickerei dar, bei welchen die mittelalterliche Technik angewendet
wird. Aber auch bei Gegenständen zur häuslichen Decoration, z. B. zur
Verzierung von Möbelüberzügen, Polstern u. dgl., wird die Stickerei,
wenn auch nur nach der ornamentalen Seite — und in dieser Beschrän
kung liegen sogar Regel und Gesetz — bereits wieder als Kunst geübt.
Hier genügen aber die gewöhnlichen mittelalterlichen Verfahrungs-
weisen der Kunststickerei nicht, oder vielmehr sie sind für den rein de-
corativen Zweck zu mühsam, zu zeitraubend und man kann mit der
orientalischen Art der applicirten oder Mosaikstickerei leichter zum Ziele
kommen. In dieser Art hat Giani eine Anzahl höchst interessanter Bei
spiele ausgestellt, die zum Theil noch unvollendet sind, um die Technik
zu zeigen. Es ist auf diese Arbeiten besonders aufmerksam zu machen,
weil ihre Art und Technik von der Dilettantenhand, oder ich will lieber
sagen von den Damen im Hause, welche die Stickerei zur Unterhaltung
üben, mit grossem Erfolge und mit Ersparung vieler Mühe und Zeit,
welche ihnen ihre jetzige Technik auflegt, verwendet werden kann. Es
kann mit dieser Arbeit ein wirklicher Schmuck des Hauses geschaffen
werden, nicht aber mit jenen Bildstickereien, die keine Bilder, sondern
Carricaturen sind, oder mit jenen mühsamen Blumenbouquets, die mit
unendlicher Arbeit, wenn es hoch kommt, die Nachahmung der Natur
ohne weiteren Kunsteffect erzielen. Allmälig bricht sich auch die Ansicht
Bahn, dass das Ziel auf diesem Wege nicht länger gesucht werden darf
und dass ihn auch die häusliche Stickerei verlassen muss.
Unter denjenigen Kunststickerinnen, die diesen Weg schon längere
Zeit verlassen haben und neue richtigere Bahnen aufsuchen, gehört die
Kammerstickerin Fräulein Therese Mirani, und mit ihr, kann man sagen,
ihre Schule, denn zahlreiche Arbeiten ihrer Schülerinnen auf der Aus
stellung, die ganz in ihrer Richtung gehalten sind, bekunden, dass sie
dabei ist Schule zu machen. Unter ihren Arbeiten sehen wir Goldsticke
reien und farbige Stickereien; die meisten gehören aber dem Genre der
Weissstickerei an, die man aber richtiger als Specialität Spitzenstickerei