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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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benennen müsste, denn sie haben mit der einen Art der Spitzen den 
durchbrochenen Grund, die Herstellung mit der Nadel und in Folge 
dessen auch das Ornament gemein. Sie würden also richtiger vielleicht 
mit unter die Spitzen zu zählen sein, doch wollen wir ihnen hier vom 
Standpunkt der Stickerei aus einige Worte widmen. 
Die Mittel der Weissstickerei, um Effect zu erzielen, sind sehr gering. 
Da ihr die Möglichkeit nicht gegeben ist, mit Licht und Schatten zu wir 
ken, so fällt bei ihr die Naturnachahmung, die naturalistische Zeichnung 
hinweg; sie ist wenigstens principiell verkehrt und muss vermieden werden. 
Sie ist, wenn irgend ein Kunstzweig, auf Schönheit der Linien und der 
Arrangements bezüglich der Ornamente angewiesen. Noch viel mehr gilt 
das von den Stickereien auf durchbrochenem Grunde, sei dieser nun durch 
Ausziehung von Faden oder durch Tüllgrund hergestellt. Der regelmässig 
durchbrochene Grund schreibt schon eine gewisse Regelmässigkeit der 
Linien vor; es ist nicht möglich, sie willkürlich zu runden oder abzu 
schweifen, ohne den Fluss des Laufes zu verletzen. Es handelt sich dem 
nach als Ziel der Kunstaufgabe um regelmässige Figuren, die mit ein 
ander, sowie mit dem mehr oder minder klaren, durchsichtigen Grunde 
in angenehme Wirkung treten; daneben allerdings dann auch um die 
Feinheit des Materials und der Arbeit, welche in der Spitzenfabrication 
und der ihr verwandten Spitzenstickerei eine ausserordentlich grosse Be 
deutung hat. Dies ist das Gebiet, auf welchem wir vorzugsweise Fräulein 
Mirani und ihre Schülerinnen, Madame Gotthold Hey mann und Frl. 
Charlotte Strauss, mit zahlreichen gelungenen Arbeiten vertreten sehen. 
Auch einige andere Damen schliessen sich ihnen an, wie Fanny v. Dill- 
mont und Frl. Lorch. Dagegen befinden sich die Arbeiten von Frie 
derike Lackner in Graz sowie die reiche Ausstellung von Weissticke 
reien der Firma Weldler & Budie in Wien, was die Ornamentation 
betrifft, noch mehr auf dem bisherigen Wege. 
Ein anderes Genre der Kunststickerei, die eigentliche Gold 
stickerei, ist mit mehreren grösseren Arbeiten durch die Anstalt von 
S. Kuh in Prag vertreten. Diese Art, die weite Anwendung findet und 
industriell von grosser Bedeutung ist, bedarf wohl noch sehr einer Reform, 
die auf dem kirchlichen Gebiete zum Theil bereits eingetreten ist. Diese 
Reform muss mit auf einer Umwandlung von Material und Technik be 
ruhen. Unser heutiges Material ist zu steif und auch zu farblos und 
effectlos. Die Folge der ersteren Eigenschaft war, dass unsere Gold 
stickereien selbst zu steif und bretterartig unbiegsam geworden sind. Da 
durch haben sie grade die Eigenthümlichkeit der Stickerei als biegsamer 
Nadelmalerei eingebüsst. Und nicht blos das: man hat der Versteifung 
wegen sie noch mit hartem Stoffe unterlegt, so dass ein vollkommenes 
Relief gleich einer Holzschnitzerei herausgekommen ist. Aehnliches ist 
freilich auch schon am Schlüsse des Mittelalters geschehen, aber es war 
auch damals eine Verirrung. Man muss zu den guten Mustern der
	        
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