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mittelalterlichen Stickerei zurückkehren und die Goldstickerei z. B. auf
den burgundischen Gewändern in der kaiserlichen Sammlung oder auf den
älteren, sarazenischen Arbeiten studiren. Auch die heutigen Stickereien
der Indier und Chinesen liefern materiell wie technisch uns vortreffliche
Beispiele zum Studium.
Wir verbinden hier mit der Besprechung der Stickerei die Posa-
mentirarbeit, denn auch diese tritt als eine vollendende, abschlies
sende und fertigmachende Kunst zur Weberei hinzu. Die Posamentirkunst
und Bortenwirkerei sind entstanden aus der künstlerischen Verwerthung
und Verarbeitung der Fädenenden des Gewebes. Ihre einfache künst
lerische Grundlage ist Flechtung, Schnürung und Knotung. Indem man
Knoten und Verschlingung reicher und künstlerischer zu gestalten trachtete,
ist man zu diesem Kunstzweige gelangt, dessen heutige Ausbildung
allerdings so willkürlich geworden ist, dass sie selten auf die Grundlage
zurückweist. Nur das Ziel ist immer dasselbe, dem Gewebe durch um
fassende Borte und Behang den letzten künstlerischen Abschluss zu geben.
Die moderne Gestaltung in ihrer reichen und mannigfaltigen Weise
lernen wir ganz vortrefflich aus der gewählten Ausstellung von Drächs-
ler kennen. Diese Ausstellung zeigt aber auch, wie die Posamentirarbeit
noch ganz unter dem Einfluss des französischen Geschmacks und der
französischen Willkür steht und die künstlerische Reform, welche heute
erstrebt wird, noch so gut wie gar nicht an sie herangetreten ist. Es ist
ganz interessant, diese Borten, Schnüre, Gehänge, Quasten und Verkno
tungen zu analysiren und man entdeckt dabei zu seiner Ueberraschung,
wie architektonische, gereihte Gesimsornamente in Schnüren nachgebildet
sind, wieviel zuweilen ohne Wirkung gekünstelt wird und wie anderer
seits oft das einfachste Motiv die allerreizendste Wirkung erzielt. Nach
französischem Muster, gewiss völlig ungerechtfertigt, sieht man selbst
wirkliche Cameen, anderswo wieder Stickerei mit kleinlichen Blümchen
mitten in einer reich gestalteten Quaste. Dass diese Art Arbeit eine reiche
und zugleich künstlerische Ausbildung zulässt, erkennt man an den Ge
hängen, dem Besatz und den Schnüren des Boudoirs von Phil. Haas
& Söhnen, welche ebenfalls aus der Anstalt von Drächsler hervorge
gangen sind.
Für eine Reform auf diesem Gebiete der Industrie sind die Muster
leider selten. Aus dem Mittelalter sind uns zwar mancherlei gewirkte
Borten für kirchliche Gewandung erhalten, aber alles, was Fransen ähn
lich sieht, ist aus jener Zeit so gut wie gar nicht vorhanden. Auch aus
der Renaissance ist uns wenig geblieben und dies Wenige für Sammlungen
unbeachtet gelassen. Mit Fleiss und Eifer Hesse sich jedoch wohl noch
manches Brauchbare Zusammentragen. Einiges besitzt bereits das öster
reichische Museum. Es fliesst uns aber noch eine andere Quelle, und das
sind die Volkstrachten und überhaupt die Arbeiten der nationalen Haus
industrie. Ich erinnere hier beispielsweise an den effectvollen Behang und