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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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mittelalterlichen Stickerei zurückkehren und die Goldstickerei z. B. auf 
den burgundischen Gewändern in der kaiserlichen Sammlung oder auf den 
älteren, sarazenischen Arbeiten studiren. Auch die heutigen Stickereien 
der Indier und Chinesen liefern materiell wie technisch uns vortreffliche 
Beispiele zum Studium. 
Wir verbinden hier mit der Besprechung der Stickerei die Posa- 
mentirarbeit, denn auch diese tritt als eine vollendende, abschlies 
sende und fertigmachende Kunst zur Weberei hinzu. Die Posamentirkunst 
und Bortenwirkerei sind entstanden aus der künstlerischen Verwerthung 
und Verarbeitung der Fädenenden des Gewebes. Ihre einfache künst 
lerische Grundlage ist Flechtung, Schnürung und Knotung. Indem man 
Knoten und Verschlingung reicher und künstlerischer zu gestalten trachtete, 
ist man zu diesem Kunstzweige gelangt, dessen heutige Ausbildung 
allerdings so willkürlich geworden ist, dass sie selten auf die Grundlage 
zurückweist. Nur das Ziel ist immer dasselbe, dem Gewebe durch um 
fassende Borte und Behang den letzten künstlerischen Abschluss zu geben. 
Die moderne Gestaltung in ihrer reichen und mannigfaltigen Weise 
lernen wir ganz vortrefflich aus der gewählten Ausstellung von Drächs- 
ler kennen. Diese Ausstellung zeigt aber auch, wie die Posamentirarbeit 
noch ganz unter dem Einfluss des französischen Geschmacks und der 
französischen Willkür steht und die künstlerische Reform, welche heute 
erstrebt wird, noch so gut wie gar nicht an sie herangetreten ist. Es ist 
ganz interessant, diese Borten, Schnüre, Gehänge, Quasten und Verkno 
tungen zu analysiren und man entdeckt dabei zu seiner Ueberraschung, 
wie architektonische, gereihte Gesimsornamente in Schnüren nachgebildet 
sind, wieviel zuweilen ohne Wirkung gekünstelt wird und wie anderer 
seits oft das einfachste Motiv die allerreizendste Wirkung erzielt. Nach 
französischem Muster, gewiss völlig ungerechtfertigt, sieht man selbst 
wirkliche Cameen, anderswo wieder Stickerei mit kleinlichen Blümchen 
mitten in einer reich gestalteten Quaste. Dass diese Art Arbeit eine reiche 
und zugleich künstlerische Ausbildung zulässt, erkennt man an den Ge 
hängen, dem Besatz und den Schnüren des Boudoirs von Phil. Haas 
& Söhnen, welche ebenfalls aus der Anstalt von Drächsler hervorge 
gangen sind. 
Für eine Reform auf diesem Gebiete der Industrie sind die Muster 
leider selten. Aus dem Mittelalter sind uns zwar mancherlei gewirkte 
Borten für kirchliche Gewandung erhalten, aber alles, was Fransen ähn 
lich sieht, ist aus jener Zeit so gut wie gar nicht vorhanden. Auch aus 
der Renaissance ist uns wenig geblieben und dies Wenige für Sammlungen 
unbeachtet gelassen. Mit Fleiss und Eifer Hesse sich jedoch wohl noch 
manches Brauchbare Zusammentragen. Einiges besitzt bereits das öster 
reichische Museum. Es fliesst uns aber noch eine andere Quelle, und das 
sind die Volkstrachten und überhaupt die Arbeiten der nationalen Haus 
industrie. Ich erinnere hier beispielsweise an den effectvollen Behang und
	        
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