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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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räthe dagegen sind schwer zu charakterisiren; es fehlt ihnen nicht art 
eigener ausgeprägter Physiognomie, aber es gebricht ihnen an schöner 
und schön gegliederter Form, sowie an dem entsprechenden Ornament. 
Willkür, jedoch eine Willkür in engem Kreise, ist die vorherrschende 
Charaktereigenschaft. Das ganze Genre, das die Individualität seines Mei 
sters und Urhebers ganz gut vertritt, kann heute nicht mehr Stich halten 
und muss durch edlere Formen und edle Ornamente, denen die Re 
naissancearbeiten zum Vorbild dienen mögen, ersetzt werden. 
Aehnlich beginnt die grossartige Collection der Silberarbeiten von 
Klinkosch mit Reminiscenzen einer nunmehr glücklich vergangenen oder 
doch wenigstens zum grössten Theile verschwundenen Zeit, aber sie endet 
nicht damit. Die Ausstellung umfasst die glänzendsten Erzeugnisse einer 
Reihe von Jahren und ist insofern, ausserdem dass sie Zeugniss ablegt 
von der Bedeutung dieses Etablissements, auch historisch interessant. Dass 
ihre Arbeiten darum mit dem Naturalismus beginnen, der, genährt und 
gepflegt durch kostspielige Wettrennpreise und sonstigen Sport, vielleicht 
in den grossen Silberarbeiten am meisten geschwelgt hat — wenigstens 
auf dem plastischen Gebiete — ist an sich kein Tadel. Sie stammen eben 
aus einer Zeit, wo der Naturalismus die Herrschaft hatte. Die Zeit ist 
hoffentlich nicht mehr ferne, wo solche Arbeiten nicht mehr künstlerische, 
sondern nur noch kunstgeschichtliche Bedeutung haben werden. Ganz 
freilich ist sie noch nicht gekommen, denn in England, dem Lande des 
Sports, huldigt man gerade in diesen Gegenständen und fast allein noch 
in diesen, wie die Ausstellung von 1871 lehrte, dem Naturalismus, wenn 
auch keineswegs mehr so ausschliesslich wie früher. Um so höher ist der 
Fortschritt anzuschlagen, den das Etablissement von Klinkosch mit 
seinen neuesten Arbeiten gemacht hat. Wir meinen hiermit besonders das 
grossartige Tafelgeräth für den Grafen Edmund Zichy. Vielleicht ist auch 
hier dem figürlichen Theil, namentlich in der dramatischen Bewegung 
freier Figuren, zu viel Spielraum gegeben, man erkennt aber doch voll 
kommen das Bestreben, erstens jedem Gefäss und Geräth eine schöne 
Form und gute reine Contour zu geben, und zweitens die Figuren in den 
Hauptlinien, die sie bilden, an die Configuration des Geräthes anzu- 
schliessen und ihr unterzuordnen. Und so muss es sein. 
Wenn wir die Ausstellung von Klinkosch im Allgemeinen betrach 
ten, so wird uns noch eine Seite daran auffallen, das ist die Farblosigkeit. 
Was bei den naturalistischen und überhaupt bei den grösseren Silberar 
beiten der letzten Jahre die Regel war, dass sie die weisse Silberfarbe 
behalten haben, das ist auch bei den neuesten Arbeiten, zumal bei dem 
erwähnten Tafelservice der Fall. Nur wenige Beispiele, ein paar Services 
für Thee und Caffee und einige andere kleinere Gegenstände machen 
eine Ausnahme. In Anbetracht, dass die weisse Silberfarbe, sowohl polirt 
wie matt oder oxydirt, zur Decoration wenig günstig ist und noch un 
günstiger erscheint bei plastischen Arbeiten, die einen leichenhaften An-
	        
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