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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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XIX. 
Glasmalerei. 
(Tiroler Glasmalerei-Anstalt in Innsbruck. — Meyr’s Neffe in Adolf. — C. Geyling, 
J. Heilig in Wien.) 
Wie die Plastik mit voller Berechtigung an der kunst g e w e r b liehen 
Ausstellung theilhaben musste, weil ihre Anwendung in decorativer Weise 
— ein Haupttheil dieses Genres — dieselben stylistischen und technischen 
Normen bis zu gewissen Grenzen einzuhalten erfordert, als ihre selbst 
ständige Anwendung erheischt, ebenso durfte auch die Glasmalerei nicht 
fehlen. Bildet dieselbe auch einen Zweig der eigentlichen Malerei, also 
einer sogenannten selbstständigen Kunst, nicht des Kunstgewerbes im en 
geren Sinne, so ist sie doch von den Fortschritten der Kunsttechnik in 
hohem Grade abhängig; ihr Genius neigt unverkennbar mehr zum Deco- 
rativen hin und ist ihre gesammte Erscheinung unbedingt abhängig vom 
Ornamente und ornamentaler Auffassung und Haltung ihrer Compositionen. 
Historisch genommen schliesst sie sich als integrirender Theil an die poly 
chrome Ausstattung der Architekturen an, will in keiner Weise davon 
losgetrennt betrachtet werden und gewährte stets im Gefühle ihrer deco- 
rativen Bestimmung einem stylisirenden Element Eingang in ihre Schöpfun 
gen, welches ihr einen ganz verschiedenen Charakter verleiht, als jener 
der übrigen Fächer der Malerei ist; übereinstimmend mit dem Geiste, der 
harmonisch das gesammte Kunstgewerbe beherrscht, das sich anschliesst 
an die grossen Hauptrichtungen der bildenden Kunst und in jenen guten 
Zeiten, als noch die gesammte Kunst Ein Begriff war, den feinen aber 
festen Kitt bildete zwischen den einzelnen Genres derselben. 
Die Ausstellung von Kirchenornaten bietet darum ein so erfreu 
liches Bild, weil uns in den daselbst gebotenen Arbeiten endlich einmal 
ein verständiges Würdigen des Zweckes und damit verbunden eine weise 
Wahl des Styles entgegentritt. Man wollte dem Bedürfniss des katholischen 
Gottesdienstes genügen und ging deshalb in der Wahl der anzuwenden 
den Stylformen, historisch völlig motivirt, auf jene Perioden zurück, deren 
Kunst der wahrhafteste Ausdruck der kirchlichen Ideen war. Auch unter 
den Werken der Glasmalerei haben wir einige zu verzeichnen, welchen 
dieses Lob aus gleichem Grunde gebührt. Je getreuer Glasgemälde für 
gothische oder romanische Kirchen dem Style der Zeit sich fügen, dessen 
Gepräge auch die Architektur trägt, desto besser werden sie sein, desto 
harmonischer zum Ganzen passen. Hier wäre es schlecht am Platze, nur 
zu gothisiren, nur archaistisch zu entwerfen, denn auch die Architektur 
des Tempels, dessen Fenster das Gemälde zieren soll, ahmt die alte Go- 
thik nicht nach, sondern ist alte Gothik selbst. Hat auch die Kirche 
selbst sich gegen die Annahme der verschiedensten Style nie geweigert 
und dem Heterogensten Raum gegeben in ihren Schöpfungen der Kunst, 
so geht diese dem Künstler dadurch gewordene Licenz doch nicht so weit,
	        
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