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XIX.
Glasmalerei.
(Tiroler Glasmalerei-Anstalt in Innsbruck. — Meyr’s Neffe in Adolf. — C. Geyling,
J. Heilig in Wien.)
Wie die Plastik mit voller Berechtigung an der kunst g e w e r b liehen
Ausstellung theilhaben musste, weil ihre Anwendung in decorativer Weise
— ein Haupttheil dieses Genres — dieselben stylistischen und technischen
Normen bis zu gewissen Grenzen einzuhalten erfordert, als ihre selbst
ständige Anwendung erheischt, ebenso durfte auch die Glasmalerei nicht
fehlen. Bildet dieselbe auch einen Zweig der eigentlichen Malerei, also
einer sogenannten selbstständigen Kunst, nicht des Kunstgewerbes im en
geren Sinne, so ist sie doch von den Fortschritten der Kunsttechnik in
hohem Grade abhängig; ihr Genius neigt unverkennbar mehr zum Deco-
rativen hin und ist ihre gesammte Erscheinung unbedingt abhängig vom
Ornamente und ornamentaler Auffassung und Haltung ihrer Compositionen.
Historisch genommen schliesst sie sich als integrirender Theil an die poly
chrome Ausstattung der Architekturen an, will in keiner Weise davon
losgetrennt betrachtet werden und gewährte stets im Gefühle ihrer deco-
rativen Bestimmung einem stylisirenden Element Eingang in ihre Schöpfun
gen, welches ihr einen ganz verschiedenen Charakter verleiht, als jener
der übrigen Fächer der Malerei ist; übereinstimmend mit dem Geiste, der
harmonisch das gesammte Kunstgewerbe beherrscht, das sich anschliesst
an die grossen Hauptrichtungen der bildenden Kunst und in jenen guten
Zeiten, als noch die gesammte Kunst Ein Begriff war, den feinen aber
festen Kitt bildete zwischen den einzelnen Genres derselben.
Die Ausstellung von Kirchenornaten bietet darum ein so erfreu
liches Bild, weil uns in den daselbst gebotenen Arbeiten endlich einmal
ein verständiges Würdigen des Zweckes und damit verbunden eine weise
Wahl des Styles entgegentritt. Man wollte dem Bedürfniss des katholischen
Gottesdienstes genügen und ging deshalb in der Wahl der anzuwenden
den Stylformen, historisch völlig motivirt, auf jene Perioden zurück, deren
Kunst der wahrhafteste Ausdruck der kirchlichen Ideen war. Auch unter
den Werken der Glasmalerei haben wir einige zu verzeichnen, welchen
dieses Lob aus gleichem Grunde gebührt. Je getreuer Glasgemälde für
gothische oder romanische Kirchen dem Style der Zeit sich fügen, dessen
Gepräge auch die Architektur trägt, desto besser werden sie sein, desto
harmonischer zum Ganzen passen. Hier wäre es schlecht am Platze, nur
zu gothisiren, nur archaistisch zu entwerfen, denn auch die Architektur
des Tempels, dessen Fenster das Gemälde zieren soll, ahmt die alte Go-
thik nicht nach, sondern ist alte Gothik selbst. Hat auch die Kirche
selbst sich gegen die Annahme der verschiedensten Style nie geweigert
und dem Heterogensten Raum gegeben in ihren Schöpfungen der Kunst,
so geht diese dem Künstler dadurch gewordene Licenz doch nicht so weit,