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Frankreich hat uns ein paar gute Kästen geliefert, wenn auch nicht mehr
der ersten Renaissance angehörig. Der ältere derselben ist Nr. 117, Eigen
thum des Herrn von Rosenberg, der jüngere Nr. 90, Eigenthum des
Grafen Nakö, aus der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts. Beide
zeichnen sich durch ein gutes und reiches Relief aus, das sich über die
gewöhnlichen Arbeiten erhebt.
Von diesem Standpunkt aus, dem der Schönheit und Feinheit des
Reliefs, können die deutschen und nordischen Arbeiten nicht mit ihnen
wetteifern. Ihr Vorzug ist in den meisten Fällen eine gesunde Construc-
tion und eine gute Gliederung, wozu ein plastischer Schmuck hinzutritt,
der allerdings in den meisten Fällen von handwerksmässiger Ausführung
ist, aber dem Material und der Sache entspricht. Die meisten Gegen
stände dieser Art kommen nicht aus den Schlössern oder den Sacristeien,
wie gewöhnlich in Süd-Deutschland, sondern aus dem wohlhabenden, be
häbigen Bürgerhause oder dem reichen Bauernsitze, wie dieselben die
Küsten der Nordsee von der Mündung des Rheines bis zur Spitze von
Jütland begleiten. Ihre Herkunft ist also keineswegs vornehmer Art, sie er
heben keine Ansprüche und haben sie nie erhoben und doch sind sie von
so gesunder und solider Natur, dass sie unserem leichtfertigen und brech-
lichen modischen Mobiliar gegenüber mit der Vornehmheit alter Geschlech
ter auftreten und der reichsten und kunstvollsten Behausung würdig er
scheinen.
Das beste und zierlichste Stück darunter vom Standpunkt der Aus
führung, zugleich das älteste, ist Nr. 63, ein kleiner Geschirrkasten mit
offenem Untertheil, dessen gut geschnittenes Ornament noch die bekann
ten Züge der deutschen Kleinmeister trägt. Es ist Eigenthum des Herrn
Ernst Weyden und stammt vom Nieder-Rhein. Ihm nähert sich ein
zweites Stück desselben Besitzers, Nr. 65. In dieselbe Kategorie gehört
auch'Nr. 117, eine reich verzierte und reich gegliederte Credenz mit trep
penförmigem Aufsatz und hoher Krönung, aus der Zeit von 158o bis
1600, Eigenthum des Grafen Nakö, so wie das aus Köln stammende Bett
aus der Sammlung des Fürsten Johann Liechtenstein, ein sehr gutes
Stück niederrheinischer Arbeit vom Anfänge des 17. Jahrhs. (Nr. 33.)
Ganz verwandter Art sind die Kästen und Credenzen, welche uns
die dänische Halbinsel mit Schleswig und Holstein in den letzten Jahren
durch Vermittlung hamburgischer Antiquare gesendet hat. Die ziemlich
roh, mitunter aber auch vortrefflich ausgeführten Reliefs, welche gewöhn
lich das ganze Stück bedecken, sind meistens der biblischen Geschichte
entnommen. Das Museum besitzt schon längere Zeit mehrere Gegen
stände dieser Art; ein neues, das auch durch seinen Bau interessirt, ist
unter Nr. 1 ausgestellt. Ein bedeutenderes Stück, ein Wandkasten mit
zurücktretendem Oberbau und vortretendem, von Karyatiden getragenen
Gesims, mit den Darstellungen von Christi Auferstehung und Christus als
Gärtner, ist Nr. 89, Eigenthum des Herrn von Falbe, aus der ersten