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V.
Wir haben bisher vorwiegend Kästen, Schränke und dergleichen
Möbelstücke der solideren Art zu besprechen gehabt. Wenn sie nach
Menge wie Bedeutung in der That den Hauptbestandteil der Ausstellung
bilden, so liegt das in der Natur der Sache. In ihrer architektonischen
Beschaffenheit im Allgemeinen von grösserer und soliderer Art, haben sie
eben mehr Beachtung gefunden und dem Verderben der Zeit, dem Unter
gang durch den Gebrauch besser widerstanden. Was uns die Vergangen
heit von Holzmobiliar hinterlassen hat, gehört überwiegend dieser Classe
von Gegenständen an.
Nichtsdestoweniger sind wir keineswegs arm an Sitzmöbeln oder
sonstigen Geräten der Vergangenheit. Wenn die Ausstellung sie nicht
in gleicher Weise vielseitig uns vorführt, so wenig nach der Art, wie nach
der Zeit, so kommt das wohl einerseits daher, dass die Fülle des Vor
handenen an grossen Standmöbeln die Räume schneller ausfüllte, als er
wartet war, andererseits daher, dass die Entwicklung des eigentlichen
Sitzmöbels erst später beginnt und bis in die Zeit des Rococo nicht die
gleiche reiche Entfaltung nahm.
Das Mittelalter war sehr arm an beweglichem Gestühl; Bänke, die
meist fest an der Wand waren, und Truhen ersetzten den Einzelsitz.
Selbst im sechzehnten Jahrhundert ist derselbe noch verhältnissmässig
selten. Was auf der Ausstellung die Formen dieser Kunstperiode zeigt,
das ist das sophaartige Sitzgeräth Nr. 45 (Eigenthum des Fürsten Johann
Liechtenstein), das auch in seinen figürlichen Reliefs Reiz und Interesse
bietet und in seinen Lehnen ein hübsches Motiv gewährt. Es stammt
vom Nieder-Rhein. Ferner tragen den Stempel der gleichen Zeit, aber
italienischen Ursprungs, die beiden mit Intarsia verzierten Fauteuils
Nr. 98, 99, Eigenthum des Herrn von Rosenberg. Das constructive Mo
tiv derselben, das dem uralten Faltstuhl entlehnt ist, stammt sogar aus
dem Mittelalter. Eine Truhe (Nr. 28), Eigenthum des Herrn Zelebor,
dient als Beispiel jener Truhen, welche, mit Kissen belegt, zu Sitzbänken
benützt wurden. Ein weit schöneres und grösseres Beispiel dieser Art
mit vortrefflicher Figurenschnitzerei aus guter Zeit befindet sich im Möbel
saal des Oesterr. Museums.
Das ist Alles, was die Ausstellung an Sitzmobiliar aus dem sech
zehnten Jahrhundert darbietet. Um so reicher ist das siebzehnte Jahr
hundert vertreten, in dessen erster Hälfte das gepolsterte Sitzmöbel eigentlich
erst seinen Anfang nahm. Vor Allem zeigen sich eine Anzahl Lederstühle
spanischen oder portugiesischen Ursprungs aus verschiedenem Besitz, die,
sonst selten zu sehen und zu treffen, sich hier in überraschend grosser
Zahl zusammengefunden haben. Ihre einfachen Formen, die Gleichartig
keit der Verzierung und des Beschläges mit den grossen Knöpfen zeigen,
dass sie alle ziemlich der gleichen Zeit entstammen, der ersten Hälfte
oder der Mitte des siebzehnten ‘Jahrhunderts. Die Lederarbeit, welche