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Alle diese Gegenstände — es gibt gewiss viel schönere und reichere
noch, als wir sie hier auf der Ausstellung sehen — haben einen Vorzug:
sie sind lehrreich. Und das ist’s, worauf es ankam. Die Rahmen z. B.
bilden sämmtlich einen Gegensatz zu den modernen. Die heutigen treten
hoch und massig mit ihren Profilen von der Wand heraus und schliessen
das Bild tief in einen Kasten ein; die alten schmiegen sich flach an die
Wand und bilden daher zugleich eine Decoration für diese. Die unseren
zerstören ästhetisch die Wand, die alten schmücken sie. Und so wird
man auch den übrigen Arbeiten, den Kästen, Schränken, Buffets, dem
Sitzgestühle, wenn man ihre Eigenthümlichkeit studiren will, gesunde und
brauchbare Motive entnehmen; wird man an ihnen lernen, auf den Grund
der Dinge zu schauen und sich nicht blenden zu lassen von dem glän
zenden Beiwerk, womit unsere modernen Arbeiten so häufig die mangel
hafte Anlage verdecken. Wie unscheinbar treten uns auf den ersten Blick
alle diese alten Gegenstände entgegen, denen alle Politur, »Europa’s über
tünchte Höflichkeit« zu mangeln scheint, an denen die Zeit zum Theil
schon arge Zerstörung angerichtet hat, — und dennoch, je mehr wir uns
mit ihnen abgeben, auf ihr Wesen uns einlassen, desto lieber gewinnen
wir sie, desto mehr lernen wir sie schätzen in ihrer gesunden, tüchtigen
Kernhaftigkeit.
VI.
In jüngster Zeit ist diese Ausstellung, wie die neue Ausgabe des
Kataloges nachweiset, wiederum um eine Anzahl interessanter Möbelstücke
bereichert worden, so dass wir es nicht unterlassen können, unserem bis
herigen Berichte einen Nachtrag anzufügen. Auch bekennen wir gerne,
in dem Bestreben, kurz zu sein, den einen oder anderen Gegenstand
minder berücksichtigt oder wohl gar übersehen zu haben.
Dieses Vergessen hat zum Beispiel einen eigenthümlichen Wandkasten
aus dem Besitze des Herrn Trau betroffen (Nr. 134), den wir noch hätten
den spanischen Arbeiten anreihen sollen. Auf einer Anzahl leichter Säul-
chen, die den unteren Theil offen lassen, erhebt sich ein mässig hoher
Kasten von braunem Holze, der ganz auf seinen Flächen wie um die
Säulen herum mit eingelegten Arabesken, Blumen und Cherubimköpfen
in Perlmutter bedeckt ist. Geben diese Köpfe so wie die Zeichnung des
Ornaments christlichen Ursprung zu erkennen, so bilden der Aufbau des
Kastens wie die Technik der Verzierung entschieden eine maurische Re-
miniscenz. Letztere ist noch heute von den Türken in ihren zahlreichen
musivischen Perlmutterarbeiten, mit denen sie ihre Möbel bedecken, fest
gehalten.
Haben wir in diesem Stück aus Spanien eine »westöstliche« Tradi
tion, so hat uns auch der eigentliche und ferne Orient nicht im Stiche
gelassen. Längst bekannt sind den Besuchern des Museums die mit Stift-
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