Nr. 0
nternationale Sammler -Zeitung.
Seite 131
»Wollen wir daher nichts — gar nichts zur Ver
teidigung Saphirs schreiben - denn erstens bedarf
es, wie gesagt, einer solchen gar nicht und die Wider
legung wird hoffentlich faktisch kommen.«
»Aber Schande und Schmach über den
feigen und anonymen Beförderer solcher
Schriften! muß jeder redliche Mensch ausrufen — das ist
nicht Preßfreiheit, das ist die schamloseste Preßfrech-
heit ausüben: B u c h h e i m, Phil. Dr. H a m m e r-
sch m i d t. Ed. L e i d e s d o r f, Jurist. M ü h 1 e n a u,
Akademiker. R ö m e r, Nationalgarde. S c h e d 1 e r,
Techniker. Fr, Weghuber, Bürger. Im Namen vieler
ihrer Kollegen.«
Auch die Aufführung des N e s t r o y sehen Stückes:
»Die Freiheit in Krähwinkel.« gab den Anlaß zum Er
scheinen eines Flugblattes, in dem nicht nur Nestroy ver
himmelt, sondern Saphir wegen seiner ungünstigen
I Kritik ordentlich abgekanzelt wird. Das Flugblatt ist bei
J. N. Friedrich gedruckt und unterschrieben: »Carl,
aber nicht der Direktor.« Es führt den Titel: »Nestroy
und die Freiheit in Krähwinkel, oder was hat Nestroy
für einen Charakter, und was haben wir von ihm zu
| hoffen?« Der Text des Flugblattes beginnt wie folgt:
»Wir leben in einer freien Zeit, das ist wahr; wir
haben Lehr-, Lern-, Rede-, Schrek- und Preßfreiheit, kurz
lauter Freiheiten, mit denen wir uns zu freuen die Frei
heit nehmen. Auch Nestroy hat sich die Freiheit ge
nommen, die freie Zeit zu benutzen, und ein freies Stück
zu schreiben.« Dann wird ausgeführt, man habe sich ge
fürchtet, Nestroy hätte sich einen Spaß gemacht und
die mit blutigen Opfern bezahlte Freiheit ins Lächerliche
gezogen. »Aber Nestroy ist ein feiner politischer
Kopf, er weiß die Zeit, die Gelegenheit zu fassen, er
! schlägt mit einem Male alle über den Haufen.«
(Schluß in der nächsten Nummer.)
Die Kupferstichsammlung Seydlitz.
Eine der wertvollsten deutschen Kupferstichsamm
lungen aus Privatbesitz kommt in den Tagen vom 20.
bis 24. Mai in dem
Auktions-Institut von
C. G. Boerner in
Leipzig zur Ver
steigerung. Die Samm
lung stammt aus dem
Besitze des schon im
Jahre 1870 verstorbe
nen Kammerherrn Ru
dolf v. Seydlitz,
einem schlesischen
Magnaten, der in der
Mitte des Jahrhunderts
einer der wenigen
deutschen Kupferstich
sammler großen Stils ’
war. Dadurch, daß die
Sammlung nach Seyd
litz’ Tode jahrzehnte
lang auf einem schlesi
schen Gute unbeachtet
lag, ist sie fast ganz
unbekannt geblieben,
und mit Staunen sieht
man, welche uner
wartet reichen Schätze
da ans Licht kommen.
Im Gegensätze zu
den heutigen Spezial-
sammlungen trägt die
Seydlitzsche Samm
lung noch ganz uni
versellen Charakter,
allerdings mit Bevor
zugung der kostbaren
Werke Dürers und
Rembrandts und
der frühen Meister des
15. bis 17. Jahrhun
derts. Der umfang
reiche, mit vielen
Tafeln und Abbildun
gen ausgestattete Ka-
I talog, den die Firma C. G. Boerner soeben versandt hat,
I verzeichnet ein beinahe vollständiges Werk von Dürers
Kupferstichen in meist
erstklassigen Exem
plaren, darunter große
Seltenheiten, wie die
»Geburt« B. 2, »Der
Degenknöpf«, die
großen Hauptblättcr:
»Die Melancholie«,
»Ritter, Tod und
Teufel«, »Hieronymus
in der Zelle«. Die etwa
200 Nummern um
fassende Rembrandt-
Sammlung enthält
gleichfalls Kostbar
keiten jeder Art, be
sonders unter den ge
suchten Landschaften
und Portrats und den
berühmten Haupt
blättern in ausge
suchten Drucken, Um
die Qualität des
weiteren zu kenn
zeichnen, genügt es,
einige sonst nicht vor
kommende Raritäten
daraus anzuführen:
eine ganze Serie ano
nymer Holzschnitt-In
kunabeln des 15. Jahr
hunderts, seltene Blät
ter von Bocholt, Bar
bari, Campagnola,
Aetzdrucke eigenhän
diger Radierungen von
van Dyck, die deut
schen Kleinmeister in
prachtvollen Exem
plaren, Landschaften
von Hirschvogel, einen
Simson von Mair von
Landshut, die große
Fig. 1, Hl. Antonius, von Dämonen gequält.