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und Berlin, der wohl auch begründet ist in den verschiedenen örtlichen 
Verhältnissen und in der ganz verschiedenen Entwicklung Preußens und 
Oesterreichs. Bei der ganzen politischen Entwicklung Berlins ist es aber 
nicht passend, die Berliner Zustände gesondert von den allgemeinen 
deutschen Kunst- und Kunstgewerbeverhältnissen ohne Rücksichtnahme 
auf die Bestrebungen des ganzen Reiches zu behandeln. Wohl strebt in 
Berlin alles dahin, die engeren preußischen Institutionen so auszudehnen 
und zu entwickeln, dass dieselben für das ganze deutsche Reich und alle 
deutschen Volksstämme gelten können; aber es scheint trotzdem nicht 
recht möglich, in dem deutschen Reiche eine so straffe Organisation auf 
künstlerischem Gebiete einzuführen, wie sich dieselbe in Frankreich, die 
natürliche Consequenz der politischen und socialen Entwicklung der 
französischen Nation, herausgebildet hat. Es mag sein, dass der stramme 
altpreußische Bureaukratismus einer ähnlichen Centralisation zustrebt; aber 
gedeihlich würde dies gewiss nicht für die künstlerische Entwicklung des 
deutschen Volkes sein. Das Bedeutendste, was das deutsche Volk im Laufe 
der Jahrhunderte in Kunst und Kunstgewerben geleistet hat, erwächst aus der 
besonderen Befähigung und verschiedenartigen Begabung einzelner deutscher 
Stämme. Es lassen sich die Bewohner des Rheinthaies, die Süddeutschen 
in Bayern und der Rauhen Alb nicht über denselben Kamm scheeren, 
wie die Brandenburger und die Schlesier, ohne ihre geistige Lebenskraft 
zu schädigen. 
Es gibt zwar jetzt nicht wenige deutsche Chauvinisten, welche glauben, 
dass diese Stammesverschiedenheiten nicht mehr existiren und nicht mehr 
in Betracht kommen. Das ist aber ein großer Irrthum und wer ein offenes 
Auge für die Zustände in Eisass hat, der wird es aussprechen müssen, 
dass der sogenannte stramme preußische Bureaukratismus, der ohne Rück 
sichtnahme auf die künstlerische Begabung der deutschen Elsässer — 
darüber gibt das Werk von Rene Menard: L’Art en Alsace-Lorrain, 
Paris 1876, in dem Capitel über die heutigen Künstler von Lothringen ein 
gehende Mittheilungen —vorgegangen ist, sich nach wenigen Jahren als unhalt 
bar herausgestellt hat. Würde man gleich vom Anfang auf diese Stammes- 
eigenthümlichkeit eingegangen sein, so wäre es zweckmäßig gewesen, 
neben den Forts und der Universität eine Kunst - Schule zu gründen, 
welche den artistischen Bedürfnissen des Eisass entspricht. Mehr als je 
wenden sich die kunstsinnigen Bewohner von Eisass nach Paris; nach Berlin 
sich zu wenden, ist kein Anlass vorhanden. Das Kunstleben in Berlin 
ist nicht genug entwickelt und nicht bedeutend genug, um als artistischer 
Mittelpunkt der deutschen Nation vollständig zu genügen. Die Chauvinisten 
scheinen nicht übel Lust zu haben, jeden als Particularisten anzusehen, der 
sich offenen Sinn für die Feinheiten künstlerischen Fühlens und Denkens der 
einzelnen deutschen Stämme bewahrt hat. Bei der reichen allgemeinen 
Volksbildung und dem erhöhten politischen Bewusstsein des ganzen deutschen 
Volkes ist es wahrlich nicht nöthig zu ignoriren, was in der eigenthümlichen
	        
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