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tendenziöser Weise darauf hinzielen, dass nachdem der Deutsche sich selbst
gefunden hat, er sich auch einen eigenen Styl schaffen möge, einer tief
gehenden Kritik zu unterziehen wären. Denn einen eigenen Styl zu schaffen,
ist eine Frage der Zeit und es ist kaum anzunehmen, dass die Bewegung
einen solchen schaffen zu wollen, nachthaltig sein wird, und von großen
Wirkungen begleitet sein würde. Von großen Wirkungen können nur jene
Bestrebungen begleitet sein, welche dahin zielen, gute und künstlerisch
vollendete Werke zu schaffen und alle Anlässe zu benützen, welche zu
künstlerisch vollendeten Gegenständen führen. Ich muss mich gegen das in
Deutschland hervortretende forcirte Streben, einen Nationalstyl zu schaffen,
nicht blos mit Rücksicht auf die Berliner Verhältnisse aussprechen, sondern
mit besonderer Berücksichtigung auf Erscheinungen ähnlicher Art, die in
Oesterreich zu Tage treten. Denn die Pester Bestrebungen für Ungarn einen
eigenen Nationalstyl zu schaffen, sind noch viel weniger berechtigt als jene
im deutschen Reiche; denn sie hemmen den künstlerischen Fortschritt und
verengern den Markt. Der Bericht der Aeltesten beschäftigt sich auch mit
der Frage eines eigenen Styles für die Producte des deutschen Kunst
gewerbefleißes. Der Ruf nach einem eigenen nationalen Style ist überall
an der Tagesordnung, in Rumänien, bei den Magyaren, den Croaten, den
Czechen und Polen. Dass dieser Ruf auch in Berlin erschallt, und das von
einer so nüchternen und verständig denkenden Körperschaft, wie die
»Aeltesten der Kaufmannschaft«, zeigt, wie mächtig jetzt die Nationalitäts
frage geworden. Sie übertönt oft den überlegenden Verstand und die künst
lerisch fachmännische Erwägung. Wenn in Rußland auf einen nationalen Styl
in Kunst und Kunstgewerbe hingearbeitet wird, so hat das einigen Sinn, weil
das Marktgebiet für russische Waare im Inlande ein ganz colossales ist.
Aber trotzdem reicht die künstlerische, technische und kaufmännische In
telligenz auch für Russland nicht aus, um ohne Hilfe des Auslandes einen
nationalen Styl zu schaffen. Aber in Oesterreich - Ungarn, in so kleinen
Ländern wie es Ungarn, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Böhmen sind, auf
einen nationalen Styl mit Hintansetzung aller künstlerischen Intelligenz hin
zuarbeiten, ist ganz widersinnig. Hoffentlich wird die Modekrankheit,
die Kunstförderung nach dem Recepte der nationalen Streber durchzu
führen, nicht lange dauern. Der nationale Kunstfleiß wird nicht durch
hochtönende Phrasen gefördert, sondern durch die solide Arbeit des
Handwerkers und Industriellen, durch Intelligenz, echte Kunstbildung und
Fleiß. Die gute Arbeit macht sich auf dem Weltmärkte von selbst geltend,
wenn sie von einem intelligenten Kaufmannsstande in den Markt ein
geführt wird; steht ihr die kaufmännische Solidität und Rührigkeit nicht zur
Seite, fehlt ihr ein ausreichendes Marktgebiet, wie es in der österreichischen
Monarchie der Fall ist, dann wird auch die solide und gute Arbeit erstickt.
Wenn ihr die gesunde und gewerbliche Intelligenz fehlt, nutzt das Pochen
auf den nationalen Styl, in der Art, wie es Reuleaux thut, nichts; im Gegen-
theil; es wird dadurch der Erzeuger und der Kaufmann irregeführt. Im