fehlen daher Berlin aristokratische Paläste, wie sie Wien, Prag, Krakau be
sitzt, in denen sich der Hochadel zunächst der Residenzen der Monarchen wohn
lich niedergelassen hat. Der deutsche Adel liebt es nicht, seine Stammsitze
zu verlassen. In neuester Zeit, und vorzugsweise in Folge des entwickelten
politischen Gesandtschaftlebens, nehmen einige Straßen einen aristo
kratischen Charakter an, so die Wilhelmstraße und der Pariserplatz. Die
Hohenzollern haben ihre Residenz in Alt-Köln aufgeschlagen; aber erst in
späterer Zeit hat durch den Bau des k. Schlosses dieser Theil der Stadt den
vornehmen Charakter einer Residenz erhalten. Neben dem specifisch mon
archischen Charakter dieses Stadttheiles von Berlin treten die militärischen
Erinnerungen am meisten in den Vordergrund, was wohl begreiflich ist,
wenn man erwägt, dass an der Entwickelung der preußischen Monarchie zu
meist die preußische Armee und ihre hohenzollerschen Heerführer den
größten Antheil haben. In keiner Großstadt nehmen daher die Militär
bauten und die Denkmäler für die hervorragendsten Generale des Heeres
eine so hervorragende Stelle ein, wie in Berlin. Sie sind Jedem bekannt,
der, wenn auch nur flüchtig, Berlin besucht hat. Der Bericht der Ge
meindeverwaltung von Berlin hebt mit Recht hervor, dass Berlin mit seiner
Stadterweiterung nicht in gleich günstiger Lage war wie Wien, welch’
letzteres ein dem Centrum der Stadt nahegelegenes ehemaliges Festungs
terrain für Bauten, Garten- und Parkanlagen zur Verfügung hatte. Es ist
vielleicht die ruhmreichste That Kaiser Franz Joseph’s dieses ehemalige
Festungsterrain aufgegeben, die Stadterweiterung Wiens auf demselben
durchgeführt und durch den großherzigen Akt vom io. December 1857 den
Anstoß zu der großen baulichen Entwickelung Wiens gegeben zu haben.
Durch die Stadterweiterung wurde Wien zu der architektonisch interessan
testen Stadt in ganz Mitteleuropa umgestaltet, da die Re gelun g und die
Verschönerung der Residenzstadt des Reiches durch den Act vom
Jahre 1857 angestrebt und erreicht wurde. Dasjenige, was Wien heutigen
Tags an architektonischen und plastischen Kunstwerken besitzt, verdankt
man in erster Linie dem Kaiser, der mehr als je ein Habsburger
für Architektur und Kunst Sinn und Verständniss hat. In zweiter Linie der
weitgehenden Autonomie, welcher sich die österreichischen Städte verfassungs
mäßig erfreuen. Sie sind in mehr als einer Richtung von der Staatsver
waltung unabhängiger als die preußischen Städte, welche mitunter durch
alte Stadtverordnungen und die nichts weniger als glücklich organisirten
Baubehörden Preußens abhängig sind. Wie in Berlin so erwartet man
auch hier den Staatsmann, der die Reorganisation des Staatsanwesens in
Die ältesten Kirchen sind die Nicolai-, Petri- und Klosterkirche. Die Nicolauskirche ist die
Pfarrkirche des alten Berlin. Die Restauration der Nicolaikirche wurde vom Stadtbaurath
Blankenstein mit einem Kostenaufwand von 200.000 Mark durchgeführt. Die Petrikirche
ist von Prof. Stark neu erbaut worden. Dass aber auch bei neuen Kirchen keine Kosten
gescheut werden, zeigt der Bau der Thomaskirche von Prof. Adler, der mit 641,200 Mark
durchgeführt wurde. Alle neu erbauten Kirchen sind Backsteinbauten.