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kennen gelernt. Er wurde zwar mit einem Preise ausgezeichnet, sein Project kam
aber nicht zur Ausführung, weil in demselben den Bauten ein zu geringer
Raum angewiesen wurde. Es ist abgebildet in dem Werke »Die preisge
krönten Entwürfe zur Erweiterung der inneren Stadt Wien (von R. v. E.
Wien, Staatsdruckerei 1859 Fol.).« Heute erinnern sich viele Wiener an
dieses Project, welche die Berliner Stadtanlagen zwischen dem Thier
garten und Schöneberger Ufern besuchen, und fragen sich, warum
es in Wien und seiner Umgebung nicht möglich ist, das System der Vor
gärten einzuführen, warum es nicht möglich ist, für die Umgebung Wiens
einen Bauplan zu entwerfen, welcher den Anforderungen der Zeit voll
ständig entspricht. Denn nirgendwo wird, in der nächsten Nähe des Mini
steriums des Innern, in dessen Resort das Bauwesen gehört, so kopflos
und geschmacklos gebaut, als in den Vororten und entfernteren Vorstädten
von Wien. Es hat an fachmännischen Vorschlägen nicht gefehlt, hat doch
erst in jüngster Zeit der Architektenverein sich mit dieser Frage be
schäftigt und es ist ein Memorandum von Ferstel ausgearbeitet; aber es
ruht sanft in den Acten; vielleicht wird es aus dem Schlafe erweckt, wenn
die Stadtbahnfrage, mit der wir uns noch beschäftigen werden, zur Erörterung
kommt. Wien hat allerdings eine Bauperiode gehabt, in welcher die Garten
kunst mit großem Geschmacke gepflegt wurde; es war die Zeit von
Leopold I. bis Kaiser Franz I. In jener Zeit war Wien nicht blos die
Haupt- und Residenzstadt des Kaisers, sondern auch die Residenz des Hoch
adels. In jener Zeit sind die prachtvollen kaiserlichen Parkanlagen von
Schönbrunn, Laxenburg und am Belvedere, der Prater und Augarten ent
standen; damals haben die Lichtenstein, Schönborn, Esterhazy, Schwarzen
berg Parkanlagen geschaffen, nicht blos in Wien, sondern auch auf den
Schlössern, wo der Adel seinen Sitz hatte. Aber der österreichische Adel
zersetzt sich und nationalisirt sich, lebt fern von der Residenz des Kaisers,
und verfolgt heutigen Tages bürgerliche und demokratische Interessen,
geht auf die Börse, betreibt Bierbrauerei, Zuckerfabriken und andere
ähnliche bürgerliche Geschäfte, folgt dem Beispiele der reichen Börseheroen,
die, obwohl sie sehr reich sind, doch noch reicher werden wollen. Das
ist der Zug derZeit! Aber dadurch ist das Interesse für die Gartenkunst
abgeschwächt worden. Es fehlen die Mittel, Voluptuarien, wie es Parke sind, in
der unmittelbaren Nähe oder in der Mitte einer Großstadt zu pflegen. Eine
rühmliche Ausnahme macht der kunstsinnige Baron Nathaniel Rothschild.
Wenn jetzt wieder die Gartenkunst in Wien etwas zu Ehren kommt —
vielleicht tragen diese Zeilen und das Beispiel Berlins etwas dazu bei, dieses
Interesse zu beleben —so geschieht dies aus dem dringendsten sanitären Inter
esse des Volkswohles. Auch in Berlin ist es die Einsicht in den Zusammen
hang der Volkswohlfahrt mit der Gartenkunst, welche Lenne und Minzer
einen so großen Wirkungskreis geschaffen haben; auch in dem benach
barten Potsdam haben die beiden Gartenkünstler sich unvergesslichen Ruhm
ei 1 ungen. In Wien gibt der kaiserliche Hof ein glänzendes Beispiel einer