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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
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italienischen zum niederländischen Geschmack, Er
war es, der den Kultus Rembrandts und den von
Frans Hals aufbrachte. Schon vor dreißig Jahren
kaufte er für Berlin eines der besten Gemälde Rem
brandts, »Der Prediger Aaslo tröstet eine Witwe«,
für den er 500,000 Mark gezahlt haben soll. Viele
Bilder sind durch ihn zu Rembrandtschen Ehren ge
kommen, die ohne seine Intervention als Schöpfun
gen geringerer Meister oder alte Kopien ein wenig
beachtetes Dasein gefristet hätten. Die italienische
Skulptur hat Bode gewissermaßen neu entdeckt und
in ihr manche wertvolle Erwerbung gemacht. Bei
anderen Erwerbungen war er weniger glücklich. Wir
erinnern nur an die Flora-Büste, die er als Werk
der Renaissance ansah und um hohen Preis — man
sprach von 160.000 Mark — für das Berliner Mu
seum erwarb und die dann als Werk eines Empire-
Bildhauers erkannt wurde. Dieser Irrtum, zu dem er
sich übrigens nie bekannte, hat indes Bodes Anse
hen in der Kunstwelt kaum beeinträchtigt, ja es
setzten sich viele Federn in Bewegung, die trotz
allem, was dagegen sprach, f ür die Echtheit der
Flora-Büste mit Verve eintraten.
*
Das Porträt Bodes, das wir in Fig. 1 reprodu
zieren, stammt von der Wiener Malerin Irma Katz.
Es ist über Veranlassung Bodes bei dem vorjährigen
Aufenthalt der Künstlerin in Berlin entstanden und
stellt den Gelehrten in Lebensgröße bei seiner Ar
beit im Friedrich-Museum dar. Die Leitung dieses
Museums hatte Bode nach seinem Rücktritt als Ge
neraldirektor der Kgl. Museen behalten.
Die Geipziger JCupferstichversteigerungen im Jttai.
Sammlung Julius Model (Berlin), — Sammlung von Passavant-Gontard (Frankfurt a, M,),
In Leipzig kommen, wie schon kurz gemel
det, im Frühjahr wiederum die größten Kostbar
keiten alter Graphik in den Boernerschen
Auktionen auf den Markt und werden wohl
wieder die Interessenten aus aller Welt dorthin
locken.
Eine besondere Note bekommen die Boerner
schen Auktionen diesmal durch die Sammlung
Model aus Berlin, die als Deutschlands schön
ste und reichste Privatsammlung französischer
Kupferstiche und Farbendrucke des
18. Jahrhunderts in aller Welt bekannt ist.
Es existiert über diese Sammlung eine prachtvolle
Farbendruck-Publikation, die Model zusammen mit
Jaro Springer vor dem Krieg herausgab; außer
dem füllte die Sammlung auf der berühmten Aus
stellung französischer Kunst in Berlin im Jahre 1910
mehrere Säle der Berliner Akademie, Den Reichtum
dieser Sammlung an Kostbarkeiten früher französi
scher Graphik in einem kurzen Artikel zu umschrei
ben, ist unmöglich. Die ganze Sammlung enthält über
2000 Blätter und alle berühmten Künstlernamen sind
durch kostbare Drucke vertreten. Insbesondere bil
det die große Serie der Blätter von Debucourt,
Janinet, Bonnet und DescourHs den
Llauptwert der Sammlung, darunter zahlreiche Früh
drucke. Von seltensten Farbendrucken findet sich
in dem Katalog auch das große Schabkunstporträt
Ludwig XV. von Le B1 o n und die Madame Du-
barry von J. B. A. G a u t i e r D'A g o t y, zwei der
berühmtesten französischen Blätter aus der Früh
zeit des Farbendruckes. Unter den zahllosen Linien
stichen nach berühmten Meistern, wie Baudouin,.
I.avreince, Watteau und Fragonard ist
hinzuweisen auf eine ganze Anzahl kostbarer Aetz-
drucke, die zum großen Teil aus der Sammlung Gon
court stammen. Das Interesse des Sammlers umfaßte
auch die großen französischen Porträt
stecher aus der Zeit Ludwigs XIV. und die
Hauptmeister der französischen Litho
graphie, Daumier und Gavarni. Von erste-
ren befinden sich besonders große Seltenheiten, wie
,,Le Ventre Legislatif“ und ,,La Rue Transnonain“.
Die Altmeister-Versteigerung bringt besonders
kostbares Material von Stechern des 15. Jahr
hunderts aus der Sammlung von Passavant-
Gontard, einer alten Frankfurter Sammlung, die
selbst in den Kreisen der Spezialkenner kaum be
kannt war. Hier finden sich Stücke höchster Quali
tät, besonders unter den Blättern von Dürer und
Rembrandt, Schongau er und Meckenem,
von letzterem als eine der größten Kostbarkeiten
alter Graphik das Selbstporträt des Meisters mit
seiner Frau, das seit Jahrzehnten nicht im Handel
war. Die frühen Italiener sind mit einer gro
ßen Serie kostbarer N i e 11 e n - Drucke aus der
Sammlung Durazzo und einiger anderer seltener
Blätter aus dem 15. Jahrhundert vertreten. Von
Niederländern des 17. Jahrhunderts
gibt es wieder eine ganze Anzahl seltener feiner
Radierungen, aber auch Frühdrucke Lukas van
Leydens und eine besondere Ueberraschung in
dem schönen', bisher vollständig unbekannten Stich
dieses Meisters, einen Christus als Weltenheiland
auf der Weltkugel stehend, aus seiner frühesten
Arbeitsperiode. In diesem Zusammenhang sind noch
Aetzdrucke van Dyck scher Originalradierungen
zu nennen. Auch für die Interessenten der franzö
sischen Kunst gibt es eine wichtige Ueberraschung,
nämlich den frühesten, bisher bekannten
französischen Holzschnitt, eine sieben
teilige Predellen-Darstellung mit französischem Text,
die um das Jahr 1430 angesetzt wird. Ein herrliches
Exemplar des Rinderhirten von Claude L o r r a i n
repräsentiert die späte französische Kunst.
Aus der deutschen Graphik des 16.
Jahrhunderts ist ein fast vollständiges, kost
bares Beham-W erk hervorzuheben und eine An
zahl seltenster Clair-obscur-Holzschnitte von Bai
dung Grien, Lukas Cranach und Wecht-
1 i n. Endlich sei auch eine Folge von aquarellierten
Entwürfen mit Mummereien zum F r e y d a 1 des
Kaisers Maximilian hingewiesen.
Diese kurzen Angaben mögen genügen, um auf
den außerordentlichen Reichtum dieser Auktionen
aufmerksam zu machen. Die Firma C. G. Boerner
verschickt mit diesen Katalogen zusammen zwei
Lagerkataloge, den einen über 130 Origi
nalradierungen Rembrandts, den ande
ren über e n g 1 i s c he und französische Sti
che und Farbendrucke des 18. Jahrhun
derts.
Ausstellung der Hauptblätter bei Artaria in Wien,
Die Hauptblätter der beiden zur Versteigerung
gelangenden Sammlungen werden vom 16. bis 20.
März in der Kunsthandlung Artaria & Co. in
Wien, I., Kohlmarkt 9, zur freien Besichtigung aus
gestellt.