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vom Ende des dreizehnten und Anfang des vierzehnten Jahrhunderts,
denen sich Malereien aus Pisweg in Kärnten sowie Wandgemälde aus dem
Kreuzgange im Kloster Emaus bei Prag zugesellen — beide so ziemlich der
gleichen Zeit angehörig. Ein glückliches Beispiel der Gesammtdecoration,
wie ein ganzer Kirchenraum mit seinem architektonischen Detail in früh-
gothischer Zeit, sowohl in ornamentaler und figürlicher, wie in coloristi-
scher Beziehung ausgeschmückt war, gibt die Kapelle in Ramersdorf.
Aus spätgothischer Zeit bietet das Schloss Reiffenstein (Tirol) ein paar
interessante und lehrreiche Beispiele, wie damals (1498) das flachgeschnitzte
Ornament der Holzplafonds, aus gewundenem Laub und Ranken beste
hend, farbig bemalt wurde. 'Letztere sind Aufnahmen der Staatsgewerbe
schule in Innsbruck.
Vollkommenes von der Art, wie ein Schloss zur Blüthezeit gothi-
schen Styls, um das Jahr 1400, malerisch ausgeschmückt wurde, gewährt
die nun folgende große Reihe der Aufnahmen aus dem Schlosse Runkel
stein bei Bozen, welche die k. k. Centralcommission von den in raschem
Verfall befindlichen Malereien dieses Schlosses hat machen lassen. Es
sind figürliche Scenen, dem Leben, der Sage, der ritterlichen Erzählung
entnommen, Einzelfiguren, Wappen, Ornamente. Das Schloss war zu
jener Zeit in die Hände einer reichen Bozner Familie gekommen, der
kunstreichen und lebenslustigen Vintler, von denen zwei Brüder, Niclas
(gestorben 1413) und Franz, die Bauten des Schlosses erweiterten und
die Kapelle und fünf größere Räume mit Gemälden schmücken ließen.
Nicht alles ist heute erhalten, aber doch so viel und noch so gut, um
uns von der ganzen Art einen vollkommenen Begriff zu machen, wie
kaum ein zweites Beispiel es gewährt. Vollkommen freilich ist die Kunst
hier keineswegs. Die gewaltigen Riesen, die sonderbaren Darstellungen
aus der Tristansage reizen uns eher zum Lächeln; immerhin werden wir
andere Scenen, so die Spaziergänger im Walde und die Ballspielenden,
wie das Turnier, mit Vergnügen betrachten, stellen sie doch Menschen und
Spiele von damals mit; naiver Treue dar. Auch die ornamentalen Male
reien sind charakteristisch für Zeit und Styl.
VI. Italienische Frührenaissance.
Wir verlassen nach den Runkelsteiner Fresken die Arkaden und be
treten den Saal IX, welcher bis auf die letzte Abtheilung der italienischen
Kunst gewidmet ist, und auch das, was am Ende sich befindet, ist unter
dem directen Einflüsse Italiens entstanden. Eine neue Kunstwelt erhebt
sich mit der Frührenaissance, steigt zur Hochrenaissance und fällt wieder
herab auf dem Wege zur Barocke. In dieser ganzen denkwürdigen Ent
wicklung, die nur an der griechischen Kunst ihres Gleichen findet, welch’
ein Reichthum der Erfindung, welch’ eine Fülle von Schönheit, welch’