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Der Zweck dieser Ausstellung ist ebensowohl ein praktischer wie
ideeller; sie will unterrichten über einen Kunstzweig, der die Brücke
bildet zwischen der hohen Kunst und der Kunstindustrie und der einen
wie der anderen angehört. Die Decorationsmalerei im 19. Jahrhundert
hatte diesen Standpunkt aufgegeben, hatte sich von der hohen Kunst
gelöst und war, im günstigsten Fall, zur bloßen Kunstindustrie herab
gesunken. Die Geschichte lehrt, dass diese Verbindung zu allen Zeiten,
in allen Kunststylen stattgefunden hat und heute muss sie, wozu auch
bereits die Anfänge gemacht sind, wieder hergestellt werden. Diese An
fänge zu fördern und weiter zu entwickeln, soll unsere Ausstellung dienen.
Indem sie den Betrachter durch die ganze Geschichte dieses Kunstzweiges
hindurchführt, soll sie ebenso dem Künstler wie dem Laien sich nützlich
und lehrreich erweisen, dem Laien noch insbesondere, denn was kann
ihm von aller Kunst wichtiger sein, was mehr sein Interesse besitzen
und sein Wohlgefallen erregen, als derjenige Zweig, welcher ihm sein
Haus, seine Wohnung, sein Heim selber zu einem Kunstwerk erhebt!
Unsere Ausstellung lehrt, dass dabei die Farbe immerdar die erste Rolle
gespielt hat und das bedeutendste und wirksamste Moment gewesen ist,
aber bei jedem echten Kunststyl und bei jeder Leistung höherer Art auch
im Anschluss an die Architektur und ihre Glieder und damit auch im
Anschluss an die Plastik. Auch diese Verbindung muss heute mehr und
kräftiger betont werden, als es bisher geschehen ist.
Die Ausstellung lehrt ferner, wie unbeschränkt das Reich der Phan
tasie in dieser Decoration der Innenräume gewaltet hat, wie reich, wie
mannigfach, wie großartig und wie anmuthig und liebenswürdig ihre
Erfindungen und Aeußerungen sind. Jedem Kunststyl, jedem nationalen
Geschmack ist hier die Phantasie gerecht geworden, in jedem hat sie
Eigenartiges, Reizvolles und Interessantes geschaffen. Sie umspannt das
ganze Gebiet der Ornamentik, vom einfachsten linearen oder geometri
schen oder gereihten Ornament angefangen durch alle Motive der Natur
hindurch bis zur kunstvoll verschlungenen Arabeske. Sie zieht die Welt
der Thiere und der Menschen in ihren Bereich und verwendet und
gestaltet sie nach ihrem Ermessen, natürlich oder stylvoll, heraldisch wie
symbolisch, allegorisch bedeutsam wie decorativ; sie steigt hinauf zum
höchsten Bildwerk, das sich der Decoration einfügen und ihr dienen muss,
in Palast und Haus wie in der Kirche.
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