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Volltext: Special-Ausstellung weiblicher Handarbeiten im k. k. österr. Museum für Kunst und Industrie

so sah man auch nicht ein einziges Stück, welches uns heute wirkliches 
Vergnügen bereitet hätte. Entweder war es die Technik, oder es war 
die Zeichnung, welche zu wünschen übrig liess, oder es war die Farbe, 
welcher aller Reiz, alle Harmonie, alle feineren und gebrochenen Töne 
abgingen. ' i 
Verglich man damit, was etwa die anderen modernen Staaten an 
ähnlicher Art gesendet hatten, so war es in keiner Weise besser. Die 
moderne Reform des Geschmackes, welche damals in der Kunstindustrie 
schon so schöne Früchte gezeitigt hatte, war weder in das Haus noch 
in die Schule gedrungen; wenigstens zeigte die weibliche Arbeit kaum < 
die leiseste Spur. Nur die Stickerei für die Kirche, die schon wenige 
Jahre zuvor ihren eigenen Weg eingeschlagen hatte, liess Besseres sehen, 
aber dieses Bessere sah auch nur wie eine Ausnahme aus gegenüber 
dem, was das Geschäft für kirchliche Kunst an gewöhnlicher Arbeit 
leistete. 
Wollte man wirklich Gutes auf dem Gebiete der Nadelarbeit sehen, 
so musste man ganz wo anders Umschau halten, und man fand es dort, 
wo es kaum einer und der andere gesucht hätte, unter den Arbeiten 
des Orients, unter den Arbeiten halbbarbarischer Stämme, unter den 
Arbeiten der Bäuerinnen. Man suchte es in der modernen Cultur und 
fand es dort, wohin diese moderne europäische Cultur noch nicht ge 
drungen war. Glücklicherweise, wenn unsere Stickerei weit zurückstand, 
so war unser Verständniss doch schon so erschlossen, um das Gute 
anderswo aufzufinden und seinen Werth für uns zu erkennen. Die 
Stickereien der Japaner und Chinesen in farbiger Seide, die Gold 
stickereien Indiens, die weissen, durchbrochenen Arbeiten der persischen 
Damen, die Haremsarbeiten der marokkanischen, tunisischen, türkischen 
Frauen, sie stellten an Reiz der Effecte, an Schönheit und Vollkommen 
heit der Ausführung, an Mannigfaltigkeit und Gesundheit der Technik 
alle europäische Damenarbeit völlig in Schatten. Man konnte sehen, 
bewundern und lernen. 
Dazu kam etwas ganz Neues, wenigstens erschien es neu, weil es 
niemand vorher beachtet hatte. Wer hätte auch erwarten sollen, dass 
die schwere Hand der Bäuerin, die den langen Tag auf dem Felde oder 
am Herde beschäftigt ist, Dinge leisten und Arbeiten schaffen sollte, 
die das ureigenste Recht der zartesten Damenhand zu sein scheinen? 
Und doch war es so. Es war auf dieser unsererer Ausstellung die so 
genannte Flausindustrie, d. h. die den einzelnen Völkerschaften eigen- 
thümliche, also nationale Kunstarbeit, zum ersten Male ausdi ücklich 
und programmmässig erschienen, und zu dieser Abtheilung, den Orient 
ausgenommen, hatte Oesterreich-Ungarn selbst den weitaus bedeu 
tendsten und anziehendsten Beitrag gestellt. Man sah in den Arbeiten 
der Bäuerinnen, mit denen sie Wohnung und Bett ausstatten und ihre 
Kleidung verzieren, in den rothen, blauen, schwarzen oder gelben
	        
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