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Schnütgen:
sowie das zu Trier vom Jahre 1512 verdienen als Seltenheiten besondere
Beachtung. Zwischen ihnen steht der Zeit nach (1509) das Heilthum zu
Hall in Tirol, welches aus 145 eingeklebten Holzschnitten von den be
treffenden Heiligthümern besteht, zwischen denen die umfängliche Beschrei
bung mit der Hand eingetragen ist, ein für die Drucklegung unmittelbar
vorbereitetes, aber nicht zum Drucke gelangtes, dadurch natürlich um so
merkwürdigeres und werthvolleres Exemplar. Von dem Heilthum zu An
dechs liegen zwei Ausgaben vor mit wenigen Holzschnitten, während die
grosse Tafel, die sich von demselben im Nationalmuseum zu München be
findet, in 5 Reihen eine sehr grosse Anzahl von Reliquiaren, auch Gewän
dern aufweist, die farbig aufgemalt und mit Inschriften versehen sind. Sie
ist eine Stiftung des Abtes Johann von Andechs und des Herzogs Sigmund
von Baiern und trägt die Jahreszahl 1497.
Den Heilthumsbüchern sind nämlich die Heilthumstafeln vorangegangen,
zuerst durch Handzeichnung und wohl zum Zwecke der Inventarisirung her
gestellt, später durch Holzschnitt resp. Kupferstich vervielfältigt; diejenigen
von Aachen und Maastricht scheinen die ältesten zu sein. Sie sind, ob
gleich gewiss, wie die ersten Holzschnitte und Kupferstiche überhaupt zur
Zeit massenhaft verbreitet, nachgerade zu den grössten Raritäten ge
worden. — Eine Serie von mehrfach auf Pergament gedruckten Gebet-
und Erbauungs-Büchern bringt die interessante Gruppe der illustrirten
Druckwerke zum Abschlüsse, deren hohe vorbildliche Bedeutung für die
heutige in so hohem Aufschwünge begriffene Textesillustration unverkenn
bar ist, auf deren nähere Ausführung an dieser Stelle aber verzichtet
werden muss.
An die Gruppe der Buchausstattung schliesst sich auf’s engste die
der Bucheinbände an, von denen circa 50 Muster vorliegen. Sie illu-
striren diesen kunstgeschichtlich, noch mehr kunstgewerblich bedeutsamen
und gerade in unsern Tagen besonders beachteten Kunstzweig in seiner
Entwickelung vom zehnten Jahrhundert an gut, wenn auch nicht lückenlos.
Die alten Ritualbücher wurden als besondere Werthstücke, als Denkmäler,
betrachtet und entsprechend behandelt, resp. ausgestattet. Die Holztafeln,
in die sie gebunden wurden, bedeckte allerlei kostbarer Schmuck, der sich
aber meistens auf die Vorderseite, das Frontale, beschränkte. Ein Elfen
beinrelief ist gern als Mittelzier verwendet, allerlei Metallschmuck umgibt
cs, Filigran, Email, getriebenes und gravirtes Ornament. Den Höhepunkt
in dieser Art der Ausstattung bezeichnet die romanische Periode, die hier
durch drei Exemplare vertreten ist. Bei dem einen nimmt die Mitte ein
sehr altes Elfenbeinrelief in der Form einer Diptychontafel ein, deren
Metallfassung äusserst einfach, aber ursprünglich ist. Bei dem • folgenden
Bande gehört die Elfenbeinschnitzerei dem XI. Jahrh., der sie umgebende
Silberrand mit eingravirten Ranken erst der spätgothischen Epoche an.