Die Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände in Wien. 215
feststehend scheint angenommen werden zu dürfen, dass die Leichen, wie
der Männer, so der Frauen und Kinder zunächst mit der Fest-Tunika, also
dem langen bis auf die Knöchel herunterreichenden Untergewande bekleidet
waren, welches nicht als neues für die Sepulkralausstattung eigens ange
fertigtes, sondern als bereits getragenes Kleid in das Grab mitgegeben
wurde. Diese Tunika war in Bezug auf den grösseren oder geringeren
Reichthum ihrer Ausstattung von der sozialen Stellung des Betreffenden,
beziehungsweise von der Art abhängig, wie er sich im Leben kleiden
durfte. Bei den Männern sind gewöhnlich die Achseln mit runden Me
daillons, Brust und Rücken mit langen über die Schultern laufenden
schmalen Streifen (angusti clavi) geschmückt, nicht selten auch noch mit
vierekigen Scheiben, welche die Brust und mit runden, welche rechts wie
links die untere Parthie zieren. Bei den Tuniken der Frauen scheint der
Schmuck sich vornehmlich auf die Verbrähmung des unteren Saumes, wie
am Gewände selbst, so an seinen Aermeln beschränkt zu haben. Diese
Schmuckstücke sind dem immer aus Leinen, bald dünnerem und feinerem,
bald dickerem und gröberem, bestehenden Gewände gewöhnlich in Wollen
fäden gobelinartig eingewebt. Manchfach aber, zumal wenn sie breiter
gehalten (lati clavi) reicher ausgestattet, mit Purpur gefärbt, sind sie extra,
sei es auf dem Wege der Weberei oder der Stickerei hergestellt, um auf
genäht zu werden. Als aufgeheftete Medaillons erscheinen ausnahmsweise
auch gemusterte Seidenstoffe, deren vegetabilische und animalische Ver
zierungen, zumal wenn letztere in Jagdscenen sich finden, an persische
und sassanidische Darstellungen erinnern. Ob sie aus persischen Fabriken
stammten, oder aus heimischer Industrie, etwa in Alexandrien hervor
gegangen, oder ob sie gar von Byzanz eingeführt waren, welches schon
am Ende des IV. Jahrh. das Land unterjochte, entzieht sich einstweilen
nicht nur jeder sicheren Bestimmung, sondern selbst jeder begründeten
Vermuthung. Die bisherigen ohnehin etwas vagen Anhaltspunkte für die
Bestimmung ähnlich dessinirter Seidengewebe reichen hier nicht mehr aus
und um so mehr macht das Bedürfniss nach neuen zuverlässigen Kriterien
sich geltend. Diente die Tunika (zuweilen in mehreren übereinander
gezogenen Exemplaren) dazu, die Leiche zu bekleiden, dann wurde das
Obergewand, die toga oder das pallium, benutzt, um sie zu bedecken.
Aus einem grossen viereckigen Tuche bestehend wurde sie für den sommer
lichen Gebrauch ebenfalls aus dünnem Leinen, für den winterlichen aus
einer Art Rubberstoff, einem zottigen Leinengewebe gebildet. Vier
gi'osse gobelinartig eingewirkte und gleichfalls langharige Schilde, von
Wolle verzieren gewöhnlich die Ecken. Nachdem die mumifizirte Leiche
damit umhüllt war-, wurde sie auf ein Sykomorenbrett gebunden, um in,
dem Anscheine nach, sehr seltenen Fällen auf einem Tannenbrettchen in-
schriitlich Namen und Lebensumstände des Bestatteten beigefügt zu
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