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Schnütgen:
erhalten. Eine grosse Ausnahme scheint es auch gewesen zu sein, wenn
ein rorträtgemälde beigelegt wurde, denn von einem solchen haben sich
verhältnissmässig nur wenige Exemplare gefunden. Für die Sammlung des
Herrn Graf sind sie nachgerade auf dreissig angewachsen. Die meistens
ganz dünnen Sykomoren-, zuweilen stärkere Tannenbrettchen von circa
25 cm Breite und circa 35 cm. Höhe haben einen ganz dünnen Malgrund
erhalten. Auf diesen sind die Brustbilder entweder mit Wasserfarbe oder
mit Wachsfarbe aufgetragen. Sie stellen Kinder und Greise, Männer und
Frauen dar, letztere in der Regel mit rosarother, also purpurner Tunika
und mit Halsschmuck wie Ohrgeschmeide. Obwohl nur wenige die eigent-
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liehe Künstlerhand verrathen, manche dilettantenhaft behandelt sind, zeichnet
alle eine flotte Manier, die meisten eine gute Modellirung aus. Die Carnation
ist durchweg klar und frisch, der Ausdruck sehr lebendig und anmuthig, die
Technik eine so vorzügliche, dass die Farbe, trotzdem die Brettchen viel
fach zerbrochen und beschädigt sind, die ursprüngliche Frische fast ganz
bewahrt haben. Dass es sich hier um die Abbildungen der Verstorbenen
handle, die sie begleiten, ist nicht anzunehmen. Die heitere Lebenslust,
die aus ihnen spricht, schliesst diesen Gedanken aus. Da sich an ihnen
kein religiöses bezw. christliches Abzeichen findet, so waren sie von der
„Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände“ ausgeschlossen, der Herr )
Graf von seinen mit christlichen Emblemen verzierten ägypti
schen Stoffen 27 Nummern anvertraut hat. Spezifisch christliche
Darstellungen bilden ja überhaupt hei diesen Funden eher die Ausnahme,
als die Regel. Die meisten Verzierungen sind dem vegetabilischen und
animalischen Gebiete entnommen und ganz allgemeiner Art. Die persön
lichen Darstellungen, die in reichster Abwechselung als einzelne Er
scheinungen, aber auch als Gruppen wiederkehren, sind zum Theil der
heidnischen, namentlich der römischen Mythologie entlehnt. Auf und ab
steigende Reihen von Standfiguren, die von kleinen Medaillons in abweichen
der Richtung unterbrochen werden, bilden eine besonders häufig vorkoinmende
Dekoration. Bei ihnen begegnet öfters der Nimbus, der in dieser Gestalt
doch wohl nur als ein christliches Sinnbild zu betrachten ist. Auf den
ausgestellten Stoffresten findet er sich mehrfach, sowohl bei den schon wohl
der inohamedanischen Epoche angehörigen beiden grösseren Köpfen, neben
denen die betreffende griechische Inschrift: (Hl. Dionysos etc.) die Gewiss
heit der christlichen Bedeutung noch erhöht, als auch bei den wohl weiter
zurückreichenden kleineren Darstellungen. Zahlreich sind diese namentlich
auf den clavi einer Tunika vertreten. Auch einen von T liieren umgebenen
Heiligen sowie eine Reiterfigur schmückt der Nimbus. Sogar der Kreuz
nimbus, der stets den drei göttlichen Personen Vorbehalten geblieben ist,
kommt vereinzelt vor. Noch häufiger als der Nimbus, begegnet das Kreuz
und zwar stets in der griechischen Form, bald mit deu rechtwinkelig,