Die Ausstellung kirchlicher, Kunstgegenstände in Wien. 207
wurden. Die mittelalterlichen Kunstwerke, zunächst die der Architektur,
wurden gründlich erforscht und studiert, die neuen Bauten, die sich an
sie anschlossen, fingen bald an, ihren Geist zu athmen. Die dienenden
Künste folgten schnell nach, auch die Kleinkünste. Mögen letztere durch
den allzugrossen Einfluss der Baumeister von der Architektur vielfach
allzu abhängig, die Nachahmungen alter Formen in manchen Fällen allzu
sklavische gewesen sein, die besten Leistungen aus den fünfziger und
sechziger Jahren verdienen alle Anerkennung, weil sie hohen Ernst und
edles Streben verrathen. Leider zogen die begabtesten Meister allmählig
vom Gebiete der kirchlichen Kunstthätigkeit sich zurück. Lohnender
waren die Aufgaben, welche die profane Kunst ihnen stellte, denn diese
suchte sich bald der glänzenden Erfolge, welche auf dem kirchlichen
Kunstgebiete unverkennbar Vorlagen, zu bemächtigen. Dank den Mitteln
über die sie verfügte, und der ganzen Zeitströmung, die ihr von oben und
von unten entgegenkam, entfaltete sie eine grosse Energie, und in fast zu
schnellem Laufe ging sie auf ihre Ziele los. So gross auch die Zahl der
Künstler war, die auf das verlockende weltliche Kunstgebiet übertraten,
der Nachwuchs auf dem kirchlichen blieb noch stark genug, aber der
Geist schien ihm immer mehr zu entweichen. Anstatt den mittelalterlichen
Vorbildern, deren Studium sich doch so erfolgreich bewährt hatte, immer
enger sich anzüschliessen, entfernte er sich immer mehr von ihnen, allerlei
modernisirenden Neigungen zu Lieb, denen mannichfach in der oberfläch
lichsten Weise das Wort geredet wurde. Leider verstummte mehr und
mehr das Gegenwort. Von einer eigentlichen berufenen Kritik war kaum
noch die Rede, die unbedeutendsten Erzeugnisse fanden hingegen wort
reiche Lobredner. Wer kaum als Geselle in einer tüchtigen Werkstätte zu
gebrauchen gewesen wäre, machte sich als Meister breit und beging unter
unverständiger Patronage ungestört und unbehindert allerlei Gebilde, deren
stilistische Bezeichnungen nur als Anmassung und Lüge erschienen. Wenige
Meister nur retteten sich und ihren Schülern den Schatz des sorgfältigen
Studiums und ernsten Strebens, für den endlich wenigstens der Anfang
der Erkenntniss und Würdigung aufzugehen scheint. So ist es fast überall,
hier mehr dort weniger, in Deutschland, so scheint es auch wohl in Oeste
reich zu sein, wo sich zugleich noch viel mehr als bei uns der kaufmännische
Geschäftsbetrieb der kirchlichen Kunstthätigkeit bemächtigt und sie fast zum
Monopol ausgebildet hat. Das österreichische Museum verdient daher hohe
Anerkennung und reichen Dank, dass es nach einem Heilmittel gesucht und
es in einer Ausstellung kirchlicher Kunstgegenstände gefunden hat. Diese
umfasst alte und neue Sachen vom frühen Mittelalter bis in die Gegen
wart. Der praktische Zweck, für den der Vergleich ein besonders wichtiger
Faktor ist, liess auch auf die Erzeugnisse der letzteren nicht verzichten.
Was sich von ihnen, also von den modernen Arbeiten bereits seit kürzerer