Gebrauche, für den er ja doch gemacht worden ist, mit seinen Fingern
anfassen?” Man muss es nur versucht haben, wie schwer es ist, eine
sumptio calicis auszuführen, wenn der Nodus mit seinen spitzen Ver
zierungen so an die Cuppa hinaureicht, dass man den zweiten und
dritten Finger unmöglich zwischen beiden anlegen und den vierten weiter
um den allzu umfangreichen Knauf schlingen kann, während, wenn man
dagegen versucht, den Kelch unterhalb des Knaufes zu fassen, man
wieder den Eindruck empfängt, als müsse er das Gleichgewicht ver
lieren! Als extremstes Beispiel dieser Art seien die zwei Kelche Nr. 1185
und 1186 aus Zara genannt, um deren Knauf ein ganzer gotbiseher
Capellenkranz läuft, eine Verleugnung aller Zweckmässigkeit, die der
späteren Gothik nicht zUr Empfehlung gereicht!
Während nun bei den gothischen Kelchen der eben erwähnte
Missstand doch wenigstens aus einem noch einigermassen entschuldigenden
Streben nach Stilgerechtheit hervorging, so verliert sich seit den Zeiten
der Eenaissance ein bewusstes und principientreues Verfolgen eines
derartigen Zieles immer mehr, ohne dass jedoch dabei die Zweckmässig
keit gerade merklich gewinnen würde. Der ganze Kelch wird immer
schlanker, die Streckung des Schaftes führt nicht selten zur Anbringung
von mehr als einem Knoten an demselben, von denen aber dann eben
keiner ein eigentlicher Nodus ist, und wobei man, was wieder die
Hauptsache ist, mm erst recht nicht weiss, wo man die Hand anlegen
soll, um die vorgeschriebenen Griffe und Bewegungen mit Sicherheit
und auch Leichtigkeit auszuführen. Dagegen tritt jetzt mehr die Sucht
hervor, durch materielle, äussere Zuthaten prunkvolle Effecte zu erzielen.
Für eine reichere stilistische Gestaltung fehlt die Vorbedingung, ein
klares Stilbewusstsein; höchstens mit getriebenen, oft auch nur auf
gelegtem Ornament werden die Flächen überladen; dafür wird zur Er
höhung der Kostbarkeit das Ganze mit blinkenden Edelsteinen gespickt,
die nicht selten recht unmotivirt, nur um eine bestimmte Anzahl unter
zubringen, vertheilt sind, und zwar Glanz, aber auch Unruhe verleihen.
Ehedem wusste man das Email in stilgerechtem Ornamente so zur Be
lebung des Metalles zu verwenden, dass es mit diesem wie zu einem
organischen Ganzen verbunden erschien; jetzt fohlt auch hiefür das
Geschick wie das Verständniss, und fremdartige Eund- oder Ovalplatten
mit figurenreicben, im winzig kleinen Maastabe, allerdings aber oft
ausserordentlich schön ausgeführten Emailbildchen werden auf Fass und
Cuppa aufgepfropft. Auch andere heterogene Sachen, einmal Bestand-
theile von Frauenschinuck, ein anderesmal rothe Korallen mit ganz
unqualificirbarer Wirkung, im besten Falle reiche Ueberkleidungen mit
Silberfiligran sehen wir zur Herstellung der Prunkgefässe der späteren
Zeit herangezogen, nur das Eine Nöthige ist dabei wieder mehr oder-
weniger übersehen, dass Messkelche eben nicht als Prunkgefässe unter
Ausschluss oder doch Erschwerung der praktischen Verwendung beim
Gottesdienste gedacht und gemacht werden sollen; Stücke mit so zartem,
selbst den ganzen Schaft einspinnenden Silberfiligran, wie Nr. 822,
lassen sich allerdings mit Entzücken ansehen, aber sie mit blosser Hand
anzufassen, möchte man fast Bedenken tragen.
Damit soll indes keineswegs gesagt sein, dass man, um über dem
Stiebtm nach prachtvoller Erscheinung nicht die Zweckbestimmung aus