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Full text: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 5, 1. Abtheilung

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insbesondere dessen jenseits der Donau gelegener Theil, das Kindesalter längst hinter sich 
hatte, sich noch immer in seiner Urzeit befand. Herodot (484 bis 405 v. Chr.) kennt den 
Namen „Karpathen" noch nicht, ebensowenig aber Julius Cäsar, vierthalb Jahrhunderte 
später. Nach ihm ist das Gebirge, das diese Gegend ausfüllt, bloß die Fortsetzung des 
Hercynischen Gebirges, das sich in einer Breite von neun Tagereisen vom Lande der 
Helvetier und Germanen bis zu dem Reiche der Geten (Dacier und Anarter) erstreckt, 
welche durch die keltische Bewegung in die einst von Scythen bewohnte Gegend diesseits 
der Donau herübergedrängt waren; das Gebiet Oberungarns aber ist selbst zur Zeit der 
Römerherrschaft noch völlig unbekannt. 
In das tiefe Dunkel dieser Periode bringen nur die Denkmäler einiges Licht, welche 
Jahrtausende lang in dem Boden des Landes vergraben gelegen und durch einzelne Forscher 
oder auch durch den Zufall wieder an die Oberfläche gelangt sind. 
Der Mensch in seiner beschränkten Auffassung möchte seine Kenntnisse immer gerne 
an jene ältesten historischen Quellen knüpfen, die Zeugniß geben von der Existenz seiner 
Race. Wenn aber schon diese ersten Aufzeichnungen gar wenig verläßlich sind, wie sollte 
sich, selbst auf Grund der reichsten urzeitlichen Funde, deren Epoche feststellen lassen, oder 
— noch mehr — jene Völker, von denen die gefundenen Gegenstände herstammen? Wie 
wäre dies vollends heute zu constatiren, wo wir sozusagen noch am Anfänge unserer 
urgeschichtlichen und anthropologischen Forschungen stehen? 
In Ungarn, und namentlich in dem an Funden so reichen Oberungarn, sind erst in 
neuerer Zeit systematische archäologische Forschungen durchgeführt worden, und da die aus 
früherer Zeit stammenden Funde, deren Ursprung in der Regel nur annähernd festzustellen 
ist, zu bestimmten Folgerungen nicht berechtigen, so werden wir unsere Darstellung haupt 
sächlich auf jene neueren sicheren Daten stützen, welche das Vorhandensein des Menschen 
auf dem Gebiete Oberungarns von der ältesten bis zur geschichtlichen Zeit bezeugen und 
dessen Culturzustand erkennen lassen. 
Zur Zeit, da Oberungarn großentheils noch mit Urwald bedeckt war, können wir 
uns den Verkehr bloß längs der Flüsse vorstellen, wie wir denn auch die ältesten mensch 
lichen Niederlassungen längs der größeren oder kleineren Flüsse und Bäche antreffen. Die 
Ufer der Waag, Gran, Eipel, Zagyva, Sajö, Poprad und Hernäd, des Ung, Laborcz 
und Latorcza, sowie ihrer Nebenflüsse hinauf bis zu den von den Alpen niederstürzenden 
Bächen, mochten sämmtlich als zur Ansiedlung geeignete Stellen erscheinen, wo die 
Bewohner Anfangs nur Jagd und Fischfang, später aber auch Viehzucht und Ackerbau 
nach Belieben treiben konnten. Während die alluvialen Ebenen, die sich in den Thälern 
gebildet hatten, reiche Weideplätze boten, empfahlen sich die Berge, besonders in der ersten 
Entwicklungsperiode des Menschengeschlechts, als Wohnstätten. Anfangs mochte schon ein
	        
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