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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 16)

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ihrer physikalischen Beschaifenheit liegen; es ist nicht möglich-hier mehr als einige Bel- 
lpiele in jeder dieser Richtungen zuzuführen. 
Eine erste und allgemeinste Quelle der Zerstörung fir alle Kslksteina, welche lang- 
sam, aber aller Orten wirksam ist, besteht in der nicht geringen Menge von Kohlensäure, 
welche die Atmosphäre und namentlich der Regen zur Auflösung des Kalkstsines abzugeben 
im Stande sind. Die schönen und wohlbekannten Marmorstatuen, welche von dem Giebel- 
falde des Parthenon in das britische Museum gebracht wurden, sind an der Windseite in 
dieser Weise merklich corrodirt worden. und die schwarzen, aus thoniger Masse bestehenden 
Adern des Marmors ragen an diesen Stellen als erhabene Leisten aus dem Bildwerke her- 
vor. An den kürzlich von der alten Vorderfronte der Stephanskirche hersbgenomnaeuen 
Herzogsstatuen, welche aus porösem Kalkstein angefertigt sind, ist die corrodirende Wir- 
kung des Windes eben so deutlich zn erkennen. in manchen Fällen steigert sich die anf- 
liisende Wirkung der Kohlensäure bedeutend und zwar dann, wenn Flechten und Moose 
sich auf dem Kalksteineansiedsln, wo es dann allerdings nicht mehr der directe Eintluss 
der Atmosphäre, sondern jener der Wurzeln dieser kleinen Pilanzen ist, welche labyrinth- 
förmige Glinge in dem dichtesten Marmor aussuhöhlen im Stande sind. 
Eine zweite noch viel häufigere Erscheinung. welche der chemischen Zersetzung des 
Gesteinen zuzuschreiben ist, besteht darin, dass die ursprünglich blau. gefärbten geringen 
Mengen von Eisen, welche eine gewisse Gesteinsnrt enthält, durch den Eintinss der Atme- 
sphäre sich in eine andere, gelb gefärbte Oxydaüonsstufe verwandeln, welche Umfhrbnng 
gleichzeitig von einer Lockerung der Textur des ganzen Gesteines, einer bedeutenden Ver- 
ringerung seiner Tragiüiglreit, oder, nm den unter den Fachleuten gebräuchlichen Ausdruck 
zu wählen, von einem mehr oder weniger ausgesprochenen „Vert'aulen" des Steines be- 
gleitet ist. 
Diese Umwandlung von blau iu gelb zeigt sich an der Aussendäche und längs ein- 
zelner wasserführenderßprünge im Inneren der Grßnitbriiche von Mauthhsusen und vsrräth 
sich in den verschiedenen Schattirungen unserer Pdastersteine. Die grosse Menge von 
lichtgelb gefärbten Kallrsteinen, welche unter den Bezeichnungen: St. Margarethner Sand- 
stein, Wöllsrsdorfer, Badner, Mannersdnrfer. Breitcnbrunner, Stein von Soskut n. s. w. den 
iiblichsten Baustein bildet, ist wahrscheinlich in den meigten Fällen als ein solcher ver- 
faulter und ursprünglich blauer Stein anzusehen, wie denn auch in Stiegensteincn u. s. w. 
nicht selten_ grössere und ziemlich scharf abgegrenzte blaue Flecken bemerkt werden, welche 
aus jenen Theilen des Gebirges stammen, bis zu welchen die Umwandlung des Eisens 
nicht vorgedrungen ist. Die festeste und schwerste Varietät dieser Kalksteine, nämlich der 
beste Kaiserstein (aus dem Kaiser-Steinbruchs bei Bruck sn der Leitha), ist immer blau 
gefärbt, während die lockeren Varietäten, wie z. B. jene von St. Margarethan, immer gelb 
oder weiss sind und nicht einmal blaue Flecken enthalten. 
Sehr audhllend ist die rasche Umtärbung von dunkelblau in gelb, welche in unserem 
Tegel, in den Ziegelgruben von Wien, bald nach der Auflockerung desselben eintritt und 
die aus dem ursprünglich dunkelblauen Tegel geschlagenen Ziegel haben vor dem Brande 
eine lichtgelbe oder bräunlichgelbe Farbe. Während aber diese Umfiirbung im Kalkstein 
ein noch zu vielen technischen Zwecken verwendbares Gestein zurücklässt, während es 
enttirbte Varietäten von Granit gibt, welche noch eine beträchtliche Festigkeit haben, und 
während man denselben Precess durch wiederholte innige Befeuchtung beim Tegcl sogar 
künstlich beschleunigt, ist sie bei dem Sandsteine unserer Umgebung der Anlass zum gänz- 
lichen Verderben des Materials. 
Es gibt in der Umgebung von Wien, z. B. in Salmansdorf, Sievring, Nnssdorf, 
Greifsnstein u. s. w., zahlreiche Brüche in einem blaug-rauen Sandstein, welcher weissen 
Glimmer, zuweilen auch kleine Kohlenpartikelchen eingestreut enthält, und welcher in sehr 
grnsser Ausdehnung seine Fortsetzung im Westen längs dem Nordrande der Alpen, durch 
Baiern bis in die Schweiz und längs dem Nordrande der Karpathen, durch Mähren und 
ganz Galizien iindet, in der Nähe von Wien aber in neuerer Zeit hauptsächlich längs der 
Kaiserin Elisabeth-Westbshn in grossem Msssstabe aufgedeckt und durchbrochen wurde. 
Er ist auch an den Siidabhüugen der Alpen und in den Appenninen in beträchtlicher Aus- 
dehnung vorhanden und ihm fallen die Gesteine zu, welche man in Italien ,Mscigno', in 
der Schweiz „Flysch", bei uns „Wiener Sandstein" oder „Km-psthen-Sandstein" nennt. 
Nicht nur an der Oberiläche des Gebirges, sondern auch längs der zahlreichen Sprünge 
und Schichtfugen, von welchen das Gebirge durchzogen ist, kann man leider die Umwand- 
lung von blau in gelb oder in ein briiunliches Grau wahrnehmen, und der ferüge Werk- 
stein, obwohl blau, und wie die Steinbrecher sagen, vollkommen „gesund", pflegt sich in 
den meisten Füllen unter dem Einßusse der Atmosphäre äusserlich rasch umzufärben. Die 
umgefirhte Hülle grenzt sich ziemlich scharf gegen den Kern des Steines ab und bröckelt 
endlich schalenförmig von demselben ab. 
Der italienische Maciguo besitzt in der Regel eine etwss grössere Wetterbeständig-
	        
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