6
ist, dass alle Schüsseln, in denen die Fleischspeisen liegen, die Braten
und Fische, nicht auf einem glatten Boden stehen, sondern mit einem
verhältnissmäßig hohen Fuß gebildet sind. Die Trinkgefäße haben ent
weder die Becherform, d. h. ohne Fuß und nach oben sich ein wenig
erweiternd, oder mit hohem Fuß und Knauf noch ganz die Form des
romanischen Kelches. Die kirchliche und die weltliche Form, die beide
derselben Grundform entstammen, waren noch nicht völlig auseinander
gegangen, wie in der Epoche des gothischen Stils. Selbstverständlich
fehlte es auch nicht an goldenen und silbernen Prunkgefäßen in der fürst
lichen Haushaltung, aber die Goldschmiedekunst, noch vorzugsweise von
Geistlichen ausgeübt, war zu sehr von der Kirche in Anspruch genommen,
um der Weltlichkeit in gleichem Maße zu Diensten zu stehen. Daher sehen
wir selten Gegenstände ihrer Art die Tafel schmücken; auch hat sich aus
karolingischer oder sächsisch-hohenstaufischer Epoche nichts erhalten, was
dem Schmuck fürstlicher oder vornehmer Tafel gewidmet gewesen wäre.
Aus dieser Zeit wissen auch die Schatzinventare nichts zu berichten;
später freilich haben sie erstaunlich viel zu erzählen.
Gewöhnlich steht vor den Gästen ein Teller, nicht vor allen freilich,
was auf Rechnung der Ungenauigkeit des Zeichners geschoben werden
kann. Jenes mag als die Regel auf jeder vollständig ausgestatteten Tafel
betrachtet werden. Woraus aber die Teller bestanden, aus edlem Metall,
aus Zinn, glasirtem Thon, aus Holz, das lässt sich nicht erkennen. Zinn
hat jedenfalls eine Rolle dabei gespielt, ebenso Holz im Bürgerhause,
zumal um das Fleisch darauf zu legen; wie weit aber glasirtes irdenes
Geschirr gebraucht worden', entzieht sich ebenfalls unserer Kenntniss.
Erhalten hat sich von alledem nichts aus den früheren Zeiten des Mittel
alters. Als Speisegeräth sehen wir ferner einige Messer auf dem Tische
liegen, und wir mögen annehmen, dass jeder Gast ein solches erhielt,
wenn er nicht es mitbrachte, wie es bei den Feudalfesten der Herren
und Ritter gewiss der Brauch war. Auch die späteren Inventare lassen
den Vorrath an gewöhnlichem Speise- und Trinkgeräth stets gering er
scheinen. Die Messer haben am Ende der Klinge gewöhnlich gespitzte
Form, um das Fleisch nicht blos zu schneiden, sondern auch aufzustechen
oder aufzuspießen. Denn Gabeln wie im heutigen Gebrauch kannte das
ganze Mittelalter nicht, außer etwa im verfeinerten Byzanz. Man sieht
sie deshalb auch niemals auf den Speisetischen liegen. Nur in der Küche
und zum Tranchiren stand eine Gabel im Gebrauch. Ihren Dienst im
Mittelalter versahen Hand und Finger. Es gehörten daher mit Nothwen-
digkeit die Wasserkanne und die Serviette zum Mahle. Nach dem Mahle
oder schon zwischen den einzelnen Speisen gingen Diener herum mit
Kanne und Schüssel und Serviette, und gossen jedem Gaste Wasser auf
die Hände und reichten ihm das Handtuch zum Abtrocknen. Schon früh
aber wurde auch jedem Gaste das Handtuch gelegt, um sich sofort die
Finger zu wischen, wenn sie ihren Dienst in der Schüssel verrichtet
hatten. Löffel zeigen die Bilder auch erst später.