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das zu beiden Seiten mit Fransen herabfiel, zum Theil auch noch auf
einen oder mehreren Absätzen oder Stufen. Solcher Credenzen, die man
heute antiquarisch als Stollenschränke bezeichnet, haben sich noch manche
aus gothischer Epoche erhalten.
An den Tischen fand die erhöhte Kunst der Gothik in der Schnitzerei
nicht allzugünstigen Platz. Die Platte musste glatt und eben bleiben und
konnte daher nur den Schmuck der Intarsia oder Marqueterie erhalten,
der ihr in Italien, wo diese Kunst im 14. und ,i5. Jahrhundert in großer
Blüthe stand, nicht fehlte. Der mehr nordalpinischen Reliefschnitzerei
blieb daher nur das Gestell unterhalb der Platte übrig oder die Schieb
lade, welche zur Aufnahme des Speisegeräthes zwischen beide eingeschoben
war. So unpassend auch dieser Ort scheinen musste, da ja die Kunst
wenig sichtbar wurde, so erhielt er doch nicht selten eine reiche geschnitzte
Verzierung. Solche Tische haben sich einige erhalten. In der Regel waren
die Tischbeine je zwei und zwei gekreuzt und auf der Kreuzung ver
bunden und verzapft, sowie unten mit Fußbrettern versehen. Bei Festen
und zahlreichen Gästen wurden, wie in alter Zeit, die Tische mit Schrägen
und Brettern (Tafeln) »aufgeschlagen« und nach beendetem Mahle wieder
»aufgehoben«.
Zu dieser Zeit war auch in jedem guten Hause der Speisetisch mit
einem leinenen Tischtuch bedeckt. Die zahlreichen Bilder zeigen, dass
es regelmäßig verziert, gemustert war, und solcherlei Tischtücher von
kräftiger Leinwand haben sich auch noch bis heute erhalten. Eine nicht
gerade selten vorkommende Art ist durchwebt mit blauen Streifen, in
denen sich neben pflanzlichen Motiven auch figürliche Gegenstände, Jagden
auf Hirsche und sonst verschiedene Thierbilder dargestellt finden. , Die
Art der Verzierung zeigt, dass ihre Entstehung in die gothische Epoche
fällt, wenn sie sich auch weit länger erhalten hat. Das Tischtuch hängt
gewöhnlich ziemlich tief herab und lässt auf den Bildern noch die Faltung
erkennen, in welcher es aufbewahrt worden. Erst am Schlüsse dieser
Periode, wenn nicht erst am Anfänge der neuen, erscheinen die an ein
zelnen Theilen durchbrochenen und ausgenähten Leintücher, sowie jene,
welche von den Frauen des Hauses selber mit allerlei Bildwerk in farbiger
Stickerei verziert wurden.
Auf dem Tische ist nun auch reicheres Geräth zu sehen als die
Bilder des früheren Mittelalters und der romanischen Epoche zu zeigen
hatten. Die Inventare fürstlicher Schatzkammern sind voll von allerlei Kunst-
geräth in Gold und Silber, oft in überkünstlichen, ganz phantastischen
Formen, zuweilen selbst mit automatischer Maschinerie, welche durch
ihre Ueberraschungen die Verwunderung der Gäste hervorrief. Auch die
Chroniken wissen davon zu erzählen. Die sogenannten Tafelaufsätze
erscheinen in Form von Schiffen mit Mannschaft und in voller Takelage,
in Form von Bergen mit Menschen und Jagdthieren und Feldarbeitern,
in Form von Brunnen, welche Strahlen von Wein oder Wasser in die