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und zeigt den Besitz des Materials und der Technik, aber noch nicht
die Ausbildung der schönen und kunstgerechten Formen des 16. Jahr
hunderts.
Häufiger noch haben sich Zinngefäße erhalten, weniger aber dasjenige
Geräth, das sich auf gut bürgerlichem Tische befand, Teller, Krüge und
Becher, die zahlreich im Gebrauche standen, als große Kannen in gothischen
eckigen Formen, welche als Prunkgefäße in den Zunftstuben dienten. Die
nicht seltenen Zinnteller mit figürlichem Relief sind alle aus späterer Zeit.
Die gewöhnlichen großen Wandschränke, wie sie auch in den
Sacristeien vorkamen und im Hause zur Aufbewahrung von Kleidung,
Wäsche und anderen, insbesondere textilen Gegenständen dienten, folgen
einem regelmäßigen Bau. Unten auf vier Füße gestellt, oben mit einem
krönenden Sims geschmückt, sind sie horizontal wie senkrecht zwei
geteilt. Die horizontale Theilung geschieht durch einen breiten Streifen,
in welchem sich zwei niedrige Schiebladen zu befinden pflegen. Die
obere wie die untere Hälfte sind je mit Doppelthliren geschlossen. Das
Innere erscheint gewöhnlich nicht durch Fächer getheilt. Es kommt vor,
dass solche Kasten sehr einfach und schmucklos sind, flach in der ganzen
Facade, nur die Füllungen ein wenig tiefer im Rahmen liegend. Diejenigen
aber, welche uns erhalten sind — und sie sind nicht gerade selten — sind
meist reich an allen Theilen oder mindestens an den umrahmenden und
stützenden Theilen mit reichem Ornament verziert in der Art jenes
Flachornaments auf der ersten der drei geschilderten Stufen; auch Füße
und Sims haben dergleichen Schmuck erhalten, wenn sie mit Maßwerk
in Art gothischer Fenster durchbrochen gehalten sind. Zuweilen sind sie
aber auch mit solcher Verzierung bedeckt, wie sie für die zweite Stufe
geschildert worden.
Neben diesen zwei Hauptarten der Schränke gibt es noch eine
dritte einfachere Art, welche die ganze Vorderseite nur mit einer einzigen
Thüre schließt. Weil minder kostbar, obwohl in erster oder zweiter Art
geschmückt, haben sie sich doch seltener erhalten. Bedeutender ist das
ganze Genre der Truhen, die ebensowohl zum Sitzen wie zur Auf
bewahrung von Kleidern und anderen Gegenständen gedient iiaben. Als
Tradition aus antiker Zeit, welche solche niedere Sitzkasten mehr in
Gebrauch hatte als die hohen Wandschränke, haben die Truhen in Italien
eine ganz bevorzugte künstlerische Ausbildung erhalten, insbesondere
mit Malereien, zuweilen von wirklicher Künstlerhand, sowie mit goldenen
flachgehaltenen Ornamenten, an deren Stelle dann im Zeitalter der
Renaissance das geschnitzte Ornament trat. Auch mit Holzintarsien, mit
Marqueterie in leichten geometrischen Mustern wurden sie schon früh in
Italien geschmückt. Bevorzugt allerdings im Süden, waren sie auch nord
wärts der Alpen häufiger im Gebrauch, und hier wurden sie ganz in
derselben verschiedenartigen Weise geschmückt, wie sie an den Schränken
geschildert worden, d. i. mit Maßwerk wie mit ausgestochenem und