Es trat die Mode an Stelle des Stils. Natürlich eine gewisse Folgerichtigkeit
hat ja auch die Mode: die Konsequenz des Wechsels.
Eine solche Entwicklung des Stils zur Mode ist für gewisse Zeiten eine
ebenso naturnotwendige Erscheinung wie jede andere Entwicklung; diese
Tatsache und die Bedeutung der Mode, der reinen Neuerungssucht, aus der
Betrachtung der Geschichte auszuschalten, wäre ebenso unwissenschaftlich,
wie etwa die Bedeutung der Individualität, der Massenempfindung oder des
Ungewollten zu leugnen.
So verworren, ja unerfreulich eine solche Periode auf den ersten Blick
auch erscheinen mag, da ihr der schöne, gerade Zug der F ortentwicklung
fehlt, so ist doch auch eine solche Zeit künstlerisch nicht wertlos. Und was
schon die wenigen Abbildungen hier zeigen können: durch das ungeheuer
gesteigerte Bedürfnis nach Neuem, nach Wechsel, wurde eine solche Fülle
verschiedenartiger Formen geschaffen, wie sie eine ruhig in bestimmter
Richtung vorstrebende Zeit kaum hervorzurufen vermöchte. Auch mag das
vollkommene Auflösen der alten Überlieferung, dieses Hin- und Herwerfen
ihrer Erfahrungen wesentlich mit dazu beigetragen haben, den Geist von der
fast erdrückenden Größe jahrhundertlanger Überlieferung zu befreien und
die Möglichkeit neuer Entwicklungen zu eröffnen. Gerade dies erscheint uns
besonders wichtig, und wir wollen uns darum erlauben, es an einzelnen
herausgegriffenen Beispielen
zu zeigen.
Nur möge hier eine Be-
merkung vorausgeschickt sein,
ohne deren Erkenntnis wir
weder diesen kunstgewerb-
lichen Erzeugnissen noch der
ganzen Zeit ihrer Entstehung
gerecht werden können. Schon
die ersten Betrachter der etwa
vor dreißig Jahren aufgefunde-
nen Arbeiten, die uns hier be-
schäftigen, hatten die Empfin-
dung, daß es sich .mehr um
Schöpfungen der Volkskunst
als um solche des verfeinerten
Gewerbes handle. Riegl konnte
sich dieser Ansicht allerdings
nicht recht anschließen und
von seinem Standpunkte aus
wohl mit Recht; wenn wir
aber heute, wo uns inzwischen
mehr in Seide ausgeführte
Einsatz eines spätantiken Gewandes, Kopf in farbiger Wolle auf
_ gelbem Grunde, Ornament: braune Wolle mit weißem Leinen-
Textilarbeiten derselben Peri- faden. Über w, a" natürlichen Größe