Der Zeichen- und Kunftunterricht.
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altete Idealformen copirt, die wohl an die Antike, die Renaiffance oder Gothik
erinnern, aber in ihrer Laxheit eher die Tendenzen des Zopfthums vertreten;
ebenfo fleht es mit dem figuralen Zeichnen, was übrigens nur nebenbei betrieben
wird. Das Zeichnen nach Gypsornamenten zeigt dort Erfolge, wo gutes Contur-
zeichnen vorangeht; fo lagen ganz nette Arbeiten von den Seminaren zu
Speier und Lauingen vor, nur fanden fich in den Portefeuillen der letzteren
Anftalt auch verwerfliche Landfchaften. Zeichnungen nach Naturmodellen
(geometrifchen Formen) brachte das Seminar zu Kaiferslautern. Die Anflalten
in Würzburg, Freifing, Bamberg und Eichftädt halten fleh vorwiegend an das
Conturornament; ausnehmend viel nach Gyps wird im Seminar zu Paffau
gezeichnet, aber in einer wenig empfehlenswerthen Strichmanier, durch welche
nie die Modulation der Form fo beherrfcht werden kann, wie im Tonzeichnen.
Bezüglich des geometrifchen Zeichnens ift von den genannten Anflalten
zu erwähnen, dafs meift Projedtionszeichnen in Anwendung auf einfache
Architekturmotive, wie Säulen etc. betrieben wird; ein fyftematifches geo-
metrifches Zeichnen ift noch wenig durchgeführt. Von J. Böhm lag ein Hand
büchlein für „zeichnende Geometrie“, fpeciell für die Lehramts-Candidaten
verfafst, vor, welches in feiner bündigen Form fich zur Ausfüllung diefer Lücke
beftenS empfehlen dürfte.
An den Realgymnaflen Baierns wird das Zeichnen, wenn auch nicht mit
bedeutenden, fo doch meift recht anftändigen Erfolgen gepflegt. Es werden
fall ausfchliefslich Ornamente gezeichnet und auf ftrenge Conturen das Haupt
gewicht gelegt. Die Vorlagen, halten fleh an die Renaiffance und Gothik; Zeichen
mittel find Bleiftift und Feder. Die erfte Claffe beginnt mit der geometrifchen
Formenlehre, an welche fich in der zweiten Claffe freiere Conturornamente
anfchliefsen; in der dritten und vierten Claffe wird dann das fchattirte Gyps-
ornament geübt und mit den talentirteren Schülern auch das figurale Zeichnen
berückfichtigt.
Das baierifche Realgymnafium hat laut einer königlichen Verordnung vom
Jahre 1864 die Aufgabe, neben einer allgemeinen wiffenfchaftlichen Fortbildung die
entfprechende Vorbereitung für jene Berufsarten zu gewähren, welche eine
nähere Vertrautheit mit den exadten Wiffenfchaften erfordern; es hat hiernach
wefentlich den Studien für den technifchen Staatsdienft die nöthige Grundlage
zu geben und fetzt, dem humaniftifchen Gymnafium parallel laufend, das Wiffen
aus den vier Claffen der Lateinfchulen voraus. Es wird demnach auch dem Zeich
nen ein bedeutenderer Spielraum eingeräumt, als diefs bei den Anflalten ähnlichen
Charakters in Oefterreich der Fall ift, wo freilich die Zweitheilung im Unterbau
liegt, die Richtung eine vorwiegend humaniftifche ift und auf das Linearzeichnen
wenig Rückficht genommen wird. Die Geometrie ift nämlich der Mathematik
zugetheilt und wird nur in der vierten Claffe neben dem Freihand-Zeichnen auch
Projedtionszeichnen betrieben, was aber in den vier Stunden per Woche felbft-
verftändlich nur von geringem Belang fein kann. In den baierifchen Realgymna-
fien find in den erflen drei Claffen drei bis vier und zwei Stunden der Geometrie
und durchgehends fechs Stunden dem Zeichnen gegeben und find nach dem
von der Regierung beftimmten Programme ftufenweife Conftrudtionen in der
Ebene, Projedlionslehre, Schattenconftrudlionen und Perfpedtive zu nehmen.
Das Realgymnafium in München hatte nach dem „Leitfaden für den Linear-
Zeichenunterricht“ von L. Edelmann, München 1871 (der Verfaffer ift an der
Anftalt als Lehrer thätig) fehr lobenswerthe Arbeiten vorgelegt, welche auch dem
Lehrplane vollkommen entfpracheü. Nicht dasfelbe ift von den meiften anderen
Anflalten zu fagen; es wird im Allgemeinen fogleich mit dem Projiciren begonnen
und fall ausfchliefslich das Bau- und Architekturzeichnen cultivirt; hie und da
auch conftrudlive Perfpedtive gepflogen, aber ohne beftimmten, einheitlichen
Lehrgang. Die erflen Säulenordnungen fpielen auch hier, wie überhaupt im
gefammten Linearzeichnen der baierifchen Schulen die Hauptrolle.