TECHNIK UND KUNST IM GEWERBE
wenn ein Buch nicht febt fcblimm befcbmutjt, ift es beffer, fich
mit diefer Reinigung zu begnügen, als Gefahr zu laufen, durch
den Gebrauch draftifcherer Mittel feinem Charakter zu fcbaden.
Sind fo alle Lagen wieder verftärkt, die Tafeln mit Falzen
verleben und das notwendige Wafcben und Leimen gefcbeben,
fo ift das Buch für die Zwecke des Buchbinders in demfelben
Zuftande wie ein neues, gerade gefalztes Buch, und fo wird es
wie diefes in eine Preffe gefegt und mindeftens zwölf Stunden
unter Druck gelaffen; dann ift das Buch fertig für das Vorfat^
machen. □
Man findet im allgemeinen, daß die allererften und die aller*
letjten Blätter eines alten Buches mehr als die anderen gelitten
haben, und um diefe zu fcbütjen, benützt man die Vorfätje. Die
angepappten Vorfälle können aus farbigem oder marmoriertem
Papier befteben. Es beftebt eine gewiffe Gegenftrömung gegen
den Gebrauch der marmorierten Papiere, da fie das erfordern,
was als »aufgepappter Verfaß« bekannt ift, d. b. zwei zufammen*
geklebte Papiere; dies gibt ein unangenehm fteifes Blatt am
Hnfang und am Ende eines Buches. □
Seidenvorfätje werden zuweilen bei koftbar gebundenen
Büchern verwandt, aber fie febeinen feiten am Platje zu fein
und find zudem geeignet, an den Rändern auszufafern, wenn
fie nicht eingefcblagen find; das Einfcblagen aber bildet ein tadel*
baftes dickes Kiffen. Pergamentvorfätje werden ebenfalls ver
wandt, aber fie find febr wenig zufriedenftellend, da fie gerne
die Deckel verziehen. Im großen ganzen febeinen Vorfätje aus
gutem Papier für ein Papierbuch mit oder ohne Lederbünde
am paffendften zu fein. □
Sollen die Schnitte vor dem Heften vergoldet werden, fo
werden fie in diefem Zuftande befchnitten. Es beftebt eine
Strömung, die Buchfcbnitte gänzlich unbefchnitten zu laffen. Die
Buchbinder febneiden fo oft die Bücher herunter, um einen
feften Schnitt zu erhalten und darauf zu vergolden, daß ganz
natürlicherweife Bücberliebbaber es vorgezogen haben, lieber
häßliche, raube Ränder zu laffen, als ihre Bücher ungehörig ver-
ftutjt zu haben. Diefe rauben, unfauberen Ränder gänzlich un-
befchnittener Bücher find häßlich; fie fammeln den Staub und
laffen fich febwer umblättern. Huf der anderen Seite ift der
fefte Goldfchnitt, der den Eindruck macht, wie ein Stück einer
Meffingbettftelle und ficberlicb anders ausfiebt, als die Ränder
von Papierblättern, feinerfeits gleich wenig zufriedenftellend.
Die Schnitte vor dem Heften zu befebneiden und im Roben zu
vergolden ift ein Kompromiß zwifeben den beiden unbefriedi
genden Extremen des gänzlich unbefebnittenen Bandes und
einem Schnitte, der in der Hufficbt gänzlich feft ift. Wenn man
nur die Ränder der größeren Blätter abfehneidet, erhält man
eine Oberfläche, die feft genug ift, um darauf zu vergolden,
ohne daß man das Buch ungehörig verfchneidet. Ein Schnitt
»gilt on tbe rougb« (auf dem Rauben vergoldet) befitjt einen
Reichtum, der die Schönheit eines »auf dem Feften vergoldeten
Schnittes« (»gilt on tbe solid«) weit übertrifft und bat zudem
ein angemeffenes flusfeben, weil fo die Ränder der Papierblätter
fichtbar find und nicht die Seite eines feften Blocks. Während
es gut ift, die Schnitte moderner Bücher zu befebneiden und zu
vergolden, läßt man die Schnitte alter oder febr wertvoller
Bücher am beften unberührt. □
Da der nächfte Hrbeitsvorgang das Heften ift, werden Linien
quer über den Rücken angemerkt, um die Lage der Bünde zu
bezeichnen. Die Heftlade beftebt aus einem Brett mit zwei auf
rechten Spindeln, die durch Löcher in einem lofen Querbalken
geben; diefer kann vermittelft hölzerner Schraubenmuttern ge
hoben oder gefenkt werden; diefe fitjen auf den Schrauben
gewinden der Spindeln. Von dem Querbalken find die Kordeln
zu einem Scblitje in dem Grundbrett gefpannt, etwa in der Hrt
von Harfenfaiten; an fie werden die Lagen eines Buches an«
geheftet. Für gute Hrbeit muß die Heftung biegfam (»flexible«)
fein. Bei Flexible-Heftung gebt der Zwirn um jede aufrechte
Kordel herum, die, einen erhabenen Bund bildend, an dem
Rücken der Lagen liegt. Bei gewöhnlicher Heftung find die
Bünde in Nuten eingefenkt, die in die Rücken der Lagen ein-
gefägt find, und der Faden gebt nur hinter ihnen vorbei und
nicht um fie herum. □
Wenn ein »eingefägtes« Buch auf feinem Rücken erhabene
Bünde zeigt, fo find es falfche, die nichts mit dem Bucbkörper
zu tun haben. Es ift einleuchtend, daß die Blätter, wenn die
Heftkordeln in den Rücken der Lagen eingefenkt find, ficb nur
bis zu den Kordeln und nicht ganz bis zum Falze öffnen können,
wie fie es bei biegfamer Heftung tun würden, es fei denn, daß
das Papier unvernünftig fteif ift. Eine andere Methode ift das
Heften auf Bänder, die große Stärke gibt, wenn die Enden der
Bänder zwifeben zwei Deckel verklebt werden. □
Wenn das Buch geheftet ift, werden die Kordeln von der Heft
lade abgefebnitten, wobei man zwei oder drei Zoll auf jeder
Seite des Buches ftehen läßt. Diefe freien Stücke der Kordeln,
»slips« genannt, werden aufgefebabt und in die Deckel ge=
febnürt. □
Nachdem die Bünde aufgefchabt find, wird der Rücken mit
dünnem Leim überftrichen, und wenn diefer nahezu trocken ift,
wird das Buch »rundgemacht« und »abgepreßt«. Der Heftzwirn
macht den Rücken dicker als die anderen Teile des Buches, und
wenn ein Buch nur gepreßt würde nach dem Leimen, würde
der Rücken entweder konvex oder konkav werden oder wellige
Formen annehmen. Beim Rundmachen verficbert man ficb, daß
er eine gleichmäßig konvexe Form annimmt. Beim Hbpreffen
werden die Fälze der Lagen von der Mitte nach außen über
einander weggeklopft, während das Buch zwifchen zurückfteben«
den Brettern in einer Preffe feft eingepreßt ift. Diefe Operation
bildet die Fälze, in welche die Deckelkanten fauber bineinpaffen,
und fie dient dazu, daß der Rücken ficber die Geftalt beibebält,
die ihm beim Rundmacben gegeben wurde. Die Deckel werden
nun auf Größe gefchnitten und durchzogen, indem jeder Bund
gut gekleiftert und durch zwei Löcher durebgefebnürt wird. Es
ift nicht richtig, die Bünde durch Huffchaben zu den bekannten
dünnen und wenig haltbaren Hanfbündeln umzugeftalten, ledig
lich um äußerfte Zierlichkeit zu erlangen. □
Sind die Deckel durchzogen, fo wird der überflüffige Leim
von dem Rücken entfernt und das Buch nochmals eingepreßt.
Hiernach wird das Buck befebnitten, wenn es »cut in boards«
(mit den Deckeln befchnitten) und »gilt solid« fein foll. □
Die nächfte Hrbeit ift das »Kapitalen«. Bis zum Ende des
fünfzehnten Jahrhunderts waren die Kapitale wirkliche Bünde
an Kopf und Schwanz und wurden mit den anderen Bünden
geheftet und mit diefen in die Deckel eingefchnürt. Die kleinen
Seidenflechtungen an modernen Büchern find entartete, aber
wenn fie richtig gemacht find, nützliche Hbkömmlinge der alten
Kapitale. □
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