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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 114)

 
Wilhelm Mrazek 
ZUR WISSENSCHAFTS- 
GESCHICHTE DES 
WIENER PORZELLANS 
Die Geschichte der Wiener Porzellanerzeugung 
als Gegenstand der kunstwissenschaftlidien For- 
sdiung ist noch keine hundert Jahre alt. Sie ist 
auf das engste mit der Geschichte des Öster- 
reichisdnen Museums verbunden; war doch dieses 
Institut nach Auflösung der Wiener Porzellan- 
fabrik im Jahre 1864 dazu ausersehen worden, 
den künstlerischen Nachlaß zu übernehmen und 
damit gleichsam als Erbe das Andenken zu 
pflegen und das Interesse wachzuhalten. 
Es verwundert daher nicht, daß Jacob von 
Falke, der erste Mitarbeiter Rudolf von Eitel- 
bergers, des Gründers des Museums und Initia- 
tors der Wiener Schule der Kunstgeschichte, im 
Jahre 1887 mit der Monographie „Die k. k. 
Wiener Porzellanfabrik. Ihre Geschichte und 
die Sammlungen ihrer Arbeiten im k. k. Öster- 
reichischen Museum" eine Publikationsreihe 
einleitete, mit der die Sammlungsgebiete des 
Instituts und dessen Bestände einem weiten 
Kreis bekannt gemacht werden sollten. In dieser 
Schrift, die neben einem geschiclmtlichen Über- 
blick einen Katalog über die 426 Porzellane 
aus dem Besitz des Museums enthielt, konnte 
Falke nicht nur die Informationen des letzten 
Direktors der 'Wiener Manufaktur und deren 
künstlerischen Nachlaß, der 1865 dem Museum 
übergeben wurde, verwerten. Er zog vor allem 
zwei SCI1OI1 viel früher erschienene Arbeiten zur 
Geschichte der Manufaktur heran, nämlich die 
im Jahre 1818 anläßlidi des hundertjährigen 
Bestandes von der Fabrik selbst herausgegebene 
Sdirift „Zur Säcular Feyer der k. k. Porzellan 
Manufaktur zu Wien . . ." sowie den Beitrag des 
berühmten Dr. Benjamin von Scholz, Profes- 
sor am k. k. Polytecl-inisd1en Institut und von 
1827 bis 1833 Direktor der Manufaktur, über 
„Porzellan und Porzellanerden, vorzüglich in 
den österreichischen Staaten", der 1819 im 
ersten Band der Jahrbücher des Polytechnischen 
Instituts erschienen war. 
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Das Ergebnis war im wesentlichen eine noch 
heute gültige Periodisierung der Geschichte der 
Manufaktur. Falke unterschied von der Grün- 
dung im Jahre 1718 bis zur Auflösung im Jahre 
1864 fünf Perioden: 
1. Periode 1718-1744: Die Fabrik als Privat- 
anstalt des Claudius Innocentius Du Pa- 
quier. 
2. Periode 1744-1784: Die Fabrik als kaiser- 
liche Anstalt unter Maria Theresia. 
3. Periode 1784-1805: Die Fabrik unter der 
Leitung Konrad von Sorgenthals. 
4. Periode 1805-1827: Die Fabrik unter der 
Leitung Matthias Niedermayers. 
5. Periode 1827-1864: Die Fabrik in Nieder- 
gang und Auflösung. 
Mit dieser Periodisierung, die von allen späteren 
Autoren übernommen wurde, legte Jacob von 
Falke den Grundstock für jede weitere wissen- 
schaftliche Befassung. Wesentliches, das über 
Falke hinausging, konnte erst Friedrich Minkus 
im Jahre 1895 beibringen. Er verfaßte eine 
Studie zur Geschichte der ersten Periode von 
1718-1744, zur Geschichte der Privatanstalt 
des Claudius Innocentius Du Paquier, auf 
Grund von archivalischen Dokumenten im 
I-Iaus-, Hof- und Staatsarchiv, die in diese 
dunkle und nur spärlich dokumentierte Zeit 
einiges Lidnt brachte. Diese Studie von Wilhelm 
Minkus war dann der Anlaß für von Seidlitz, 
Ergänzungen hierzu aus den Archivakten der 
Meißner Manufaktur beizubringen. 
In der Zeit zwisdien Falkes Monographie und 
den Beiträgen von Minkus und Seidlitz hatten 
im Zuge der Industrialisierung und musealen 
Reformhewegung die Gründungen von kunst- 
gewerblichen Museen zugenommen und war 
eine ganze Generation von Kunsthistorikern 
mit kunstgewerblichen Themen befaßt. Justus 
Brinckmann, der Direktor des Hamburger 
Museums für Kunst und Gewerbe, zeigte sich 
am Wiener Porzellan sehr interessiert un 
mentierte dies in seinem vorbildlichen 
durdn sein Institut. Gleicherweise befaß 
die Direktoren der in Böhmen, Mäh: 
Schlesien nach dem Wiener Vorbilde ge 
ten Gewerbemuseen in Reidienberg, 'I 
und Brünn mit dem Wiener Porzell 
brachten so manchen ergänzenden 
Gustav E. Pazaurek in Reichenberg, 
Braun in Troppau sowie Julius Leise 
Brünn bereicherten um die Jahrhundei 
mit ihren Arbeiten nicht nur die F0 
sondern weckten mit ihnen auch das all 
Interesse der Öffentlichkeit. In diesen 
entstanden audi die größeren und k 
Privatsammlungen, die vor allem vom 
bürgertum der Museumsstädte zusamm: 
gen wurden. In Wien war es Josef F: 
der mit seinem Beitrag über das Wien 
zellan in der Publikation zu der Aus 
über den Wiener Kongreß im Jahre 11 
als besonderer Kenner der Materie erw 
meinsam mit den Vorgenannten wurdet 
institutseigenen Zeitschriften und Mitt 
blättern die Probleme und die Funde pi 
und so um die Jahrhundertwende eine S 
regster wissenschaftlicher Aktivität und 
maliges Interesse am Wiener Porzellan 
geführt. 
Die günstige Konstellation fand einen 
Niederschlag in der Ausstellung von 
Porzellan im Troppauer Gewerbemusc 
Jahre 1903. E. W. Braun zeigte 800 P01 
und ermöglidite damit einen ersten un 
den Überblidt über die Wiener Proc 
Aber auch in Wien war man nicht 
geblieben. Im Jahre darauf, 1904, zei 
Wiener Institut eine Ausstellung von 
Porzellan, die mit 2.320 Katalognumme 
was sich in der österreichisch-ung 
Monarchie an wertvollen Porzellanen in
	        
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