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Projektion des menschlichen Körpers« ist.“ In der Aktions 
kunst wird diese Projektion zwischen Objekt und Subjekt 
greifbar. Indem sie die ungezählten Möglichkeiten aufzeigt, 
wie durch eine Aktion Konzeptionelles und Physisches, 
Emotionales und Politisches, Psychologisches und Soziales, 
Sexuelles und Kulturelles und so weiter aneinander gekoppelt 
werden können, macht die Aktionskunst die allzuoft verges 
sene Interdependenz der menschlichen Subjekte - der Leute 
- deutlich. Der Körper Ist das Medium des Realen, so man 
nigfaltig sich dieses Reale auch darstellt und manifestiert. 
Indem Aktionskunst dieser Wechselbeziehung Gestalt ver 
leiht, macht sie die Relationalität des Individuums im Rahmen 
von Kunst und Kultur sichtbar. Auf diese Weise agiert die 
Kunstaktion stellvertretend für jede Kunst - ob sie es will oder 
nicht -, wenn sie das Verhältnis zwischen Sehen und Bedeu 
tung, Schaffen und Sein ins Blickfeid rückt. 
Der folgende Aufsatz besteht aus einer zusammenhängenden 
Reihe kurzer Meditationen, die jeweils nur ein Fragment der 
zahllosen Analogien untersuchen, die die Aktionskunst 
umspannt. Insofern ist mein Aufsatz keine historische Studie 
und nicht an eine bestimmte Chronoiogie der Ereignisse 
gebunden. Dennoch gibt es eine Chronologie, so vielfältig ihre 
Kartographie auch sein mag. Diese Chronologie beginnt mit 
Sicherheit irgendwo im Action painting und setzt sich in den 
Happenings fort, die als Nachkriegserscheinungen die Folgen 
des Zweiten Weltkriegs widerspiegeln, das Elend der 
hibakusha (Bombenopfer), die Beat-Generation, die Angry 
Young Men in England, den weltweiten Wiederaufbau von 
Wirtschaftssystemen und Kulturen sowie gewalttätige Aus 
einandersetzungen insbesondere in Korea, Vietnam und 
Algerien. Während dieser bewegten Jahrzehnte trugen die 
Kommunikation zwischen den Künstlern, die überall in der 
Welt Happenings veranstalteten, und der lockere Zusam 
menhalt der Fluxus-Mitglieder dazu bei, begreiflich zu 
machen, daß diejenigen, die Aktionen zu Kunst machten, 
gleichzeitig an einem Projekt arbeiteten, das keine nationalen 
Grenzen kannte, obwohl die jeweiligen Konflikte und 
Umstände, die sich in den Arbeiten der einzelnen Künstler 
zeigten, die Fordenjng nach nationaler Identität widerspiegelten. 
Ungewöhnliche Ereignisse ziehen häufig einen Paradig 
menwechsel nach sich, der sich an entscheidenden Weg 
kreuzungen vollzieht. Ich habe mich lange Zeit damit zu- 
4 Elaine Scarry, The Body in Pain: The Making and Unmaking 
ofthe World, Oxford 1985, S. 281. 
5 Daniel Bürens »Sandwich Men« - eine Aktion von 1968, in der 
Transparente durch Paris getragen wurden, auf denen lediglich 
frieden gegeben, daß der Körper als künstlerisches 
Ausdrucksmittel nach 1950 eng an das Bedürfnis gebunden 
war, das Primat des menschlichen Subjekts über das un 
belebte Objekt zu behaupten, um auf die ontologische 
Bedrohung des Lebens selbst in der Zeit nach dem Holocaust 
und im anbrechenden Atomzeitalter zu reagieren. Damit will 
ich nicht sagen, daß diese Kunst keine Vorläufer hatte. Derer 
gab es sogar zahlreiche, und der Körper als visuelles Medium 
tauchte in nahezu jeder europäischen Avantgardebewegung 
vor dem Zweiten Weltkrieg auf. Aber erst der regelmäßige, 
systematische und internationale Einsatz in den letzten fünf 
zig Jahren definierte den Körper als neues Ausdrucksmittel 
und als Gattung der bildenden Kunst. Eine Kunst, die aus 
Aktionen bestand, bedeutete, daß Kunst gegenständlich und 
darstellend zugleich sein konnte, daß sie das Primat des 
Körpers gleichzeitig als metaphorischen Inhalt und als kon 
krete Darstellungsform Vorbringen konnte. Diese Kunst hat 
das metonymische Verhältnis des Austauschs zwischen 
Betrachter und Kunstwerk klar zum Ausdruck gebracht. Aber 
sie hat dieses Verhältnis auch verändert, indem sie ein agie 
rendes Subjekt in einem realen Austausch mit einem anderen 
agierenden Subjekt darstellt: kurz gesagt, Aktionskunst zeigt 
zwei Menschen, die einander Bedeutung vermitteln, ganz 
gleich wie kompliziert die Kommunikationsform auch sein 
mag.® Denn wenn Aktionen zu Kunst werden, geht es immer 
um Kommunikation mischen Menschen. Es war eine Aktion 
innerhalb der realen sozialen Bedingungen seines All 
tagslebens, die Latham seinen Dozentenposten gekostet hat. 
Er hat bewiesen, wieviel auf dem Spiel steht, wenn man 
Aktion mit Kunst und Kultur verbindet. 
Meiner Ansicht nach kam die relativ große Bedeutung des 
Kulturellen für das Politische verstärkt in jenen Kunstaktionen 
zum Ausdruck, die allgemein mit den »Sechziger Jahren« in 
Verbindung gebracht werden, weil man sich damals im höch 
sten Maße bewußt geworden war, daß menschliche Aktion im 
sozialen Raum auch im Bereich der Politik nicht ohne Wirkung 
bleibt. Nach meiner Zeitrechung beginnen die »Sechziger 
Jahre« 1955 mit Rosa Parks, der schwarzen Näherin aus 
Montgomery, Alabama, die sich weigerte, ihren Sitzplatz im 
Bus einer Weißen zu überlassen (wozu sie gesetzlich ver 
pflichtet war), und enden irgendwo zwischen 1973 und 1975, 
als die Vereinigten Staaten ihre Truppen aus Vietnam abzo- 
abwechselnd weiße und bunte Streifen zu sehen waren - machte 
deutlich, wie schwierig die Kommunikation über das Medium 
Zeichen sein kann, wenn und zweifelsohne weil Aktion mit im 
Spiel ist.
	        
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