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Die Vleihnachts-Ausstellung des Oesterr. Museums.
' Von Jacob Falke.
Zum zweiten Male hat das Oesterr. Museum seine Weihnachts-Aus-
stellung für die heimische Kunstindustrie dem Publicum erölfnet. Es ist
in denselben Räumen geschehen wie im vorigen Jahre, grossentheils rnit
denselben Namen, mit der gleichen Zahl der Aussteller, und doch können
dem aufmerksamen Beobachter, der den Dingen näher steht, wesentliche
Unterschiede nicht entgehen.
Es ist eine auffallende Erscheinung. wenn wir die Noth der Zeit
bedenken, die Klagen, die seit dem Frühling von i873 niemals herber
lauteten denn heute, die Unlust zum Kaufen und in Folge dessen die Un-
lust zur Arbeit oder zu neuer Arbeit. Man hätte erwarten sollen, dass
eben Alles sinkt und immer tiefer sinkt und in Muthlosigkeit stillsteht.
Das ist aber nicht'der Fall, wenigstens nicht so sehr, wie man ver-
muthen möchte. Ja, die Veränderung, die wir wahrnehmen oder wahrzu-
nehmen glauben, kommt uns wie der Uebergang zu einem mehr ange-
messenen und mehr natürlichen Wege vor. Das verständlich zu machen,
müssen wir uns eine kleine Abschweifung in die Ferne erlauben.
Die Weltausstellungen haben zu ihren anregenden und wohlthätigen
Wirkungen, die wir in keiner Weise in Frage stellen wollen, alle mit-
einander einen grossen Nachtheil für die Kunstindustrie gehabt, der sich
stäiig vergrössert hat. Indem sie den Ehrgeiz des Fabrikanten aufstachelten,
veranlassten sie ihn zu forcirten Arbeiten, zu übertriebenen Leistungen,
die auf den Schein, auf Blendung der Augen und der Sinne berechnet
waren, die auffallen, anlocken sollten, aber in Wirklichkeit kein Bedürfnifs
waren und in dem natürlichen oder gegebenen Zustande der Dinge kein
Recht zu ihrer Existenz besessen. So sind eine Menge Dinge entstanden,
deren Zahl von Ausstellung zu Ausstellung anwuchs: reine Luxusgegen-
stände, unbrauchbar in Bezug auf den Zweck, unverkäußich wegen des
hohen Preises, den sie für das Material und die verschwendete, meist mit
dem Resultat ausser allem Verhältniss stehende Arbeit verlangen müssen.
Ladenhüter, Prachtstücke der Schaufenster, sind sie mehr ein Gegenstahd
des Aergers als der Freude, verderben um der getäuschten Hoffnung
willen die Lust zu neuer guter Arbeit, um so mehr, als sie in den meisten
Fällen nicht einmal des moralischen Beifalls im Publicum oder bei Kunst-
kennern sich zu erfreuen gehabt haben.
Gilt dies ausnahmslos für alle Weltausstellungen, weil die Natur der
Sache es so mit sich bringt, so noch in erhöhtem Masse für die des
Jahres 1873. Sowohl der Geist, welcher die Geschäftswelt in den nächst
vergangenen Jahren belebte und zu kühnen Thaten ermuthigte, als auch
die übergrossen Erwartungen, welche man von dieser Ausstellung gehegt
hatte, waren der Entstehung von Arbeiten der geschilderten Art nur zu
günstig. Viele hatten Anstrengungen gemacht und sich in Kosten gesteckt
neit über ihre Kräfte. Blieben diese Gegenstände schon auf den früheren