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haben in den leizien Jahren charakteristische Bilder neuerer Zeit
hinzugefiigt. über die geistigen Zusammenhänge, über die letzten
Kräfte, die das Werk der amerikanischen Künstler bestimmten, hörte
man nur wenig, hier wie drüben. Die einzige umfassendere Dar
stellung in diesem Sinne ist das geistreiche Buch von Lewis Mum-
ford (Lehrer an der New School for Social Research in New York!
mit dem Titel „Slicks and Stones“, das 1924 erschien.
Die gro&en Umrisse der Entwicklung in knappen Strichen gibt
unser Vorwort von Irving K. Pond. Pond lebt in Chicago als weit
geschätzter Architekt des mittleren Westens. Aber über die ganzen
Staaten hin ist er zugleich ein anerkannter Wortführer im Streit der
Meinungen von heut. In seinen Aufsätzen hat er auch freundliche
Worte über neue deutsche Bauten gefunden*). Sein Buch „The
meaning of architecture" ist ein wertvoller Beitrag zur Architektur-
Erkenntnis.
Den dritten Aufsatz hat uns Thomas E. Tallmadge aus einem
der letzten Hefte des „Atlantic Monthly“ zur Verfügung gestellt. Wie
Pond lebt er in Chicago. Die Meinungen der beiden decken sich
nicht überall. Eine werdende Welt wird ja mit Recht verschieden
vorgestellt. Und um so leichter lassen sich in den drei Aufsätzen
die größeren Komponenten der Bewegung erkennen, die hemmen
den wie die treibenden.
Von deutschem Einfluß berichtet keiner der Verfasser. Pond
hebt den englischen, Tallmadge den gotischen hervor. Selbst wenn
einige unserer Besucher davon überzeugt sein sollten, daß die Zeit
irgendwelcher Stilnachbildungen endgüllig vorüber sei, werden sie
aus den Aufsätzen entnehmen können, wie tief die Gotik ihre
Wurzeln in die Vorstellungswelt Amerikas gesenkt hat. Wer dann
z. B. die Universitäts-Neubauten des „Gotikers“ Klauder betrachtet,
wird sehen, wie sich die Erfindung dieses lebenden Künstlers noch
stark der Ausdrucksmittel und Formen der Gotik bedient — trotz
dem aber schon in eine eigene amerikanisehe Welt vorgedrungen
ist, in der sich „gotische“ Gedanken zu solchen des amerikanischen
20. Jahrhunderts künstlerisch wandeln. Noch ein Schritt weiter in
dieser Architekturentwicklung, und es würde vielleicht schon ge
künstelt scheinen, „gotische" Elemente nachweisen zu wollen,
wie man das ja im übrigen auch bei europäischen Bauten
der neuesten Zeit getan hat. Die Zeit und die Schlacht ist eben die
gleiche hier und dort, aber der Anmarsch kommt von verschiedenen
Seilen.
*) Vgl. zuletzt die vielbemerkten Ausführungen im „Journal of Ihe
American Institute of Archiiects“, Novemberheft 1925 S. 402 ff.