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stefs ein unverkennbarer Ernst in den englischen Grundformen ob
gewaltet, die der Architektur der Kolonien als Vorbilder dienten, —
in den französierenden bauten verschwand er unter hohlem Zierat.
Aus wirtschaftlichen Gründen sowohl wie aus gefühlsmäßiger Nei
gung verzichtete aber der amerikanische Siedler darauf, sich in
Verzierungen zu ergehen. Ersuchte seine Kunst mehr in einer
ordentlichen Gesamtbauform zu betätigen. Und so wurde eine starke
Einfachheit ein Kennzeichen amerikanischer Arbeit. Sie hat viele
Wechselfälle überlebt und bleibt die Dominante auch in der gegen
wärtigen Architektur, ob sich nun der einzelne Künstler gotisch,
klassisch oder rein individuell gebärdet — wir pflegen noch heute
in Amerika alle diese Baustile und noch einige andere, weniger
leicht greifbare, dazu —, und wandeln sie alle langsam ab, indem
wir sie amerikanisieren.
Der frühe „Colonial“ war eine Art Georgischer Renaissance.
Ihm folgten nacheinander eine römische, eine klassizistische Zeit
(Greek Revival), dann etwas Namenloses ohne Charakter, auch eine
Art Gotik mit einem Rheinischen Rundbogen, dann etwas Merkwür
diges mit Mansarden, Türmen und Türmchen, dessen Erzeuger sich
zweifellos von Paris beeinflußt glaubten, — eine neue Victorianische
Gotik, ferner Queen Anne, dann die von einer starken künstlerischen
Individualität ausgehende Aufnahme des spanisch-romanischen
schweren Rundbogens, der langsam dem italienischen wich. Dann
erlebten wir die Weltausstellung in Chicago. Wir wurden römisch
(Kaiserreich), tauschten aber bald die italienische Renaissance dafür
ein und hielten es schließlich mit dem dünnen französischen Aufguß
der Beaux Arts. Ich sagte, wir wandelten alle diese Stile ab, hier
ordentlich, dort recht ordentlich, dort erfindungslos und gewöhnlich,
und manches Mal auch recht schlecht. Manchmal uns wirklicher
Kunst nähernd, manchmal fern davon. Aber in dieser ganzen Zeit
verlor sich nie ganz die Note starker Einfachheit, die nun, in unseren
Tagen, der Zug ist, der am meisten bei unserer Arbeit in die Augen
springt. Deutlich prägen sich in ihr die Lebensart und die Wünsche
des amerikanischen Volkes.
Soviel vom historischen Hintergrund. Auf dem unsicheren
Boden der Zukunft heißt es, vorsichtiger treten. Hier kann man nur
andeuten, wohin der Weg zu gehen scheint. Kein Zweifel, es hat
noch gute Weile, bis gewisse Klassen unserer Häuser die richtige
Form annehmen werden. Für lange noch wird der Reisende in
prachtvollen römischen Bahnhöfen ankommen. Und auch ein Teil
unserer Colleges wird sich noch desselben Formulars bedienen,
oder man wird sie mit gotischen Kulissen aufmachen — immer in
völligem Gegensatz zum Leben, das sich in ihnen abspielt. —